EIN SCHAUSPIEL (3)

Bild von Alf Glocker
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3. Akt

Die Wirklichkeit materialisiert sich deutlich in greifbaren Dingen! Ungeborene Seelen schweben zwischen ihnen herum, stellen sich alsbald in Personen, Tieren, Pflanzen dar, und Mauern, Straßen, Häuser wachsen aus dem Nichts. Demagogen verkünden ihre Dogmen, in der Hoffnung, nein, mit dem Anspruch, so verstanden zu werden, wie sie es sich wünschen. Jedem, der genau hinschaut wird sofort klar, daß sie von einer Art „Innerer Unruh“, von einem Uhrwerk angetrieben sind. Und außen herum zeichnen sich die Spuren ab, denen die Übrigen zu folgen haben, denn magnetisch ist die Zeit. Sie fordert den Tribut ein, in ungestümem Erleben. Dadurch wirkt alles ein wenig unwirklich …

Gestalt: „Nun bin ich tot. Zumindest sieht es danach aus. Der Tag erscheint mir wie ein Bild … von einem Jahrmarkt höchstwahrscheinlich. Es ist ein bisschen fadenscheinig! Ich blick hindurch – wie eine Farce steht es vor mir, auch wolkengleich, von Schlieren arg durchzogen: nicht wirklich ernst zu nehmen. Doch irgendetwas spielt sich ab. Anstatt der Schatten ist da eine Zukunfts-Projektion. Was will sie denn bezwecken? Ich lass mich in die Tasche stecken."

Ein Chor hebt an zu singen –
Es ist der Gesang des Schicksals …

Die Stimmen der Ungeborenen:
„He, du Gestalt, die du am Boden liegst,
erhebe dich und biete dich als Sklave feil!
Denn wenn du dich in Demut fügst,
erlangst du bald für uns das Heil!“

Gestalt: „Wer ruft mir solche dummen Worte zu? Ich hab‘ es hinter mir, es war doch wohl ein Traum? Die Nacht mit ihren Schatten ist vergangen – und auch des Sichelmonds Verlangen. Bin ich denn halb in der Vergangenheit verhaftet, wie ein Wiedergänger, der nach Blut und Wärme dürstet?“

Die Stimmen: „Ja, du dort, der nicht weiß, warum er sieht und hört,
da er doch gar nicht wirklich teilnimmt am Geschehen.
Es ist so weit, daß man dich schwer betört,
hör‘ auf, die Augen zu verdrehen,
wenn dir das Laster ‚Sein‘ verspricht:
so tot bist du lange nicht!“

Gestalt: „Nun wirbeln um mich die Visionen! Mit Fantasien vermischt, wird schnell ein süßer Cocktail draus, der auch genossen werden will. Die Schemen, die sich ‚Wirklichkeiten‘ nennen, verdichten sich zu einer Masse, die man berühren kann und soll. So bin ich nun des Lobes voll!“

Die Stimmen: „Wir müssen dir gesteh’n, du hast Humor –
Doch trotzdem bist nur ein Tor!“

Gestalt: „So schön kann’s im Theater sein?
Jetzt fehlen nur noch Weib und Wein!“

Die Stimmen: „Nun schrei nicht gleich als wie am Spieß,
denn dir gehört kein Teil von diesem Ganzen.
Noch stehst du da, mit einem Bein im Nirgendwo,
das für dich Gutes nicht verhieß –
du bist umringt von Lanzen.
Integrier‘ dich feierlich in diesen Zoo!“

Gestalt: „Was für ein Rausch, ein Lärmen und ein Machen,
ich möchte darin mit euch komponieren.
Mir leuchtet ein, bei all den schönen Sachen
mach ich die eigne Puppenkiste auf!
Dafür würd‘ ich mich nicht genieren –
Ganz reizend wär‘ der Lebenslauf!“

Stimmen: „Mach deine Augen zu, wenn du Gedanken willst!
Du darfst nicht anseh‘n, was dir vorgegaukelt wird,
schau dich nach innen um –
die ‚Wirklichkeit‘ ist nur ein Medium!
Und, falls du deine Neugier stillst,
dann sei in freier Lust verwirrt,
doch frag dich auch: was habe ich davon?
Denn was du siehst, ist Illusion!"

Gestalt: „Was soll das denn bedeuten,
die Szene ist doch voll von Leuten?
Ein Haufen individueller Lebensweisen!
Und jeder ist für sich auf Reisen."
Stimmen: „Woher sie immer kamen –
sie folgen Rollen und Programmen!“

Gestalt: „Ich drehe mich entzückt im Kreis. Mir wird schon schwindlig von der Pracht. Auch fühle ich, wie Blut durch meine – alle Adern schießt, die sich in diesen Körpern hier befinden. Es ist ein einziges Wallen, Wogen. Ich bin vor frohem Lachen ganz verbogen!“

Ein Fremder kommt hinzu. Er scheint wie aus einer andern Dimension entsprungen, doch denkt er laut, in wohlbekannten Zungen. Ist er dem Höllenschlund entstiegen? Kommt er aus einer andren Zeit? Besteht er nur, weil uns die Sinne trügen? Wozu macht der sich auch noch breit? Vielleicht will er der Welt was sagen … Er steigt aus einem „Himmelswagen“ …

Fremder: „Seht doch dem kleinen Trottel zu,
er taumelt wie benommen!
Ich finde, daß er maßlos übertreibt!
Was hält er denn von diesem Schmu,
der euch als Weltgeschichte schreibt?
Sein Anblick ist verschwommen!“

Die Stimmen sprechen aufgeregt dazwischen,
sie wollen sich ins Dasein mischen …

Stimmen: „Wer ihn wahrnimmt, ist verwirrt. So etwas kann es doch nicht geben! Was hat er für Gedanken? Treibt ihn hinaus!“

Doch die Gestalt hat es gespürt: „Nun tritt der Wahnsinn in mein Leben. Da sieht es doch gleich besser aus …
Sieh an, man hat wohl mein Versteck gefunden.
Auf einmal bin ich registriert.
Jetzt dreh ich fleißig meine Runden."
Fremder: „Vielleicht wirst du auch absorbiert?!“

Gestalt: „Was kann ich tun, was muss ich leisten,
damit ich Anerkennung finde?“
Fremder: „Zuerst sollst du dich nicht erdreisten,
als Außenseiter vorzusprechen,
sonst rufen sie dir zu ‚verschwinde!‘,
sie werden ihre Stäbe brechen
über dir und deinesgleichen!
Du wirst – verachtet – nichts erreichen!“

Stimmen: „Das klingt nach dem Geheimrezept, das nicht Erfolg verspricht. Kann man so etwas lernen? Die andern wissen, wie man’s macht! Du brauchst doch nur die Ohren aufzusperren, dann geht der ganze Rest von selbst."

Fremder: „Das ist die Rechnung ohne Wirt. So wird der Zecher vorgeführt! Man nimmt ihn freundlich, gnädig auf, betrachtet ihn als Ware … wie kann man ihn verwenden? Hat er den Geist, der keiner ist, weil man ihn sehr gut steuern kann? Oder werkt er mit den Händen?“

Auf einmal ist die Bühne voll mit Fremden! Sie zeigen alle mit den nackten Fingern auf die Gestalt, den Armen. Sie tragen Raumanzüge, anstatt Hemden – und sie kennen kein Erbarmen! Dabei sind sie, gleich einen Kreis zu bilden, dann denken sie, verständlich laut, im Chor:

„Du bist die wache Seele unter Wilden –
das kommt normalerweise gar nicht vor.
Du musst als tüchtig dich beweisen,
nach den Methoden streng verfahren –
dich so bewähren mit den Jahren –
die uns geläufig sind, die wir als nützlich kennen,
und dienen musst du höheren Kreisen,
nur sie nicht laut bei ihren Namen nennen,
zum Beispiel ‚Unhold‘, ‚Dieb‘, ‚Tyrann‘,
verstehe dich als Untertan!
Vor allem sollst du Demut zeigen,
vor der Erfahrung, die nur Mächtige besitzen.
Und was du weißt, darfst du verschweigen.
Dir steht es gut, in solchem Dienst zu schwitzen!“

Gestalt: „O Stimmen, sagt mal, hör‘ ich schlecht?
Das träume ich doch wieder nur!
Das klingt doch nicht nach Fug und Recht!
Vor allem klingt’s nicht nach ‚Kultur‘!“

Die Fremden: „Die Stimmen schweigen dich jetzt an, sich aus. Sie liefern dich an Angst und Frust. Du fühlst dein Herz nur tonnenschwer – ein Druck liegt auf der Brust!“

Noch einmal die Gestalt (an die Stimmen):
„Ihr schweigt zu diesen faulen Proben,
die eine Zukunft projizieren,
in der die Böcke Gärtner werden …
Was ist das für ein Pack dort oben?!
Ich werd‘ für die nicht einen kleinen Finger rühren,
auch bin ich, nicht mal mit zehn Pferden,
für diesen Spaß zu engagieren
sich gegenseitig anzuschmieren –
dann darum geht es hier offensichtlich!“

Die Fremden: „Pass auf, sie packen dich gerichtlich!“

Stimmen: Gib dich zum Schein uns, dieser Menge nun geschlagen
und schwimme mit dem üblen Strom.
Füg‘ dich geschickt den krassen Plagen,
besuch‘ gewitzt den Hohen Dom,
in dem die heiligen Götter hausen,
doch bleibe geistig ganz auf dich gestellt!
Dann wende dich in Weisheit und mit Grausen,
von allem, was dir nicht gefällt
und höhle diesen Humbug aus, indem du fühlst und denkst,
wie man nur denken kann, wenn man die Wahrheit sucht.
Nur, gräm dich nicht, wenn man dich hasst, verflucht,
und sieh dich vor, so man dich herzlich liebt,
denn Herzen sind auch manchmal eine Bürde!
Bewahre dich, wie es nur dich als einen gibt,
der dem Gewissen folgt, so gut es nur irgend geht,
mit viel Respekt vor eben dieser ‚Menschenwürde‘,
die unter wahren Freunden ganz weit oben steht!“

Die Fremden gehen ab und hinterlassen ein Vakuum, das mit den Stimmen der Ungeborenen aufgefüllt wird … Und die Gestalt denkt sich ihren Teil: „Ich bin verlassen, Gedanken überlassen, die niemand denkt, weil sie der Höllenhimmel keinem schenkt, der sich der finst‘ren Welt nur anzubiedern wagt. Dies sei recht festgestellt, doch nicht geklagt!!

Und als sie dies gedacht, verging sie (die Gestalt), Flammen gleich, auch gingen dunkle Janitscharen in die Verdammnis, aus dem Sinn. Man achtete nicht mehr auf ihre Macht, nur auf den Lustgewinn! Um die Gestalt, die einmal war – taumelnd in der Nacht, aufs Erdenglück versessen – entstanden neue Horizonte. Sie endeten in einem All, das sie zum Zentrum hatte, als einen Feuerball!

Kein Vorhang fällt!

Epilog

Ungeist: Be-Sinne dich und nimm dran teil,
du bist für diese Welt erfunden,
verliebe dich und such‘ dein Heil
zur Not auch in den Wunden –
es gibt so vieles zu erfühlen, hören sehen.
Du brauchst nicht alles zu verstehen,
was ich zur Kurzweil für euch tue,
es ist noch weit zu deiner letzten Ruhe!

Drum bündle angemessen deine klugen Blicke
aufs Kleine, beschränke dich in deinem Wirken!
Und halt‘ auf dich die großen Stücke,
für die dir leise Stimmen bürgen,
die aus der Seelenkraft dir streben –
sie sind dein ganzes Menschenleben!

Nichts andres kannst du tun, als was dir aufgetragen,
du musst nicht wahllos um dich schlagen,
der „Irrtum“ ist, doch das wird streng verschwiegen,
die Medizin, um über Angst und Traurigkeit zu siegen!
So ist der Plan, der göttlich ist, für alle gleich –
auf Erden ist das wahre Himmelreich!

Deshalb darf man nicht gleich verzweifeln,
am Unsinn, der sich allerorten,
als sei er aufgetan von Teufeln,
verkündet wird, in Taten und in Worten
denn dies ist Ausdruck der Natur:
Sie ist ein Schauspiel nur!

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Kommentare

21. Mär 2018

Der "Welttag der Poesie" ist heute -
Da war Dein Text ganz starke Beute!

LG Axel

21. Mär 2018

Welttag der Poesie?
Davon hörte ich noch nie...

LG Alf