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Personen:
Miriam Wagenlechner, Ehefrau
Eusebius von Thannenberg, Bewunderer des Nationalsozialismus
Ferdinand von Thannenberg, Sohn von Miriam und Eusebius
Urenkelin, Frau mit Brille
Vorbemerkung
Grotesk anmutende Begebenheiten formen Zusammenhänge, deren Einmaligkeit über die Vorstellung politischer Verschwörung hinausreicht.
Hintergrund
Als 1874 in Wasserburg am Inn eine gewisse Miriam Wagenlechner das Licht der Welt erblickte, deutete nichts darauf hin, dass dieses Menschenwesen in nicht allzu ferner Zukunft bereits Geschichte schreiben würde.
Exakt im August des Jahres 1905 ehelichte Miriam den Gemischtwarenhändler Eusebius von Thannenberg. Thannenberg könnte gut als Vorläufer von Supermarktketten gelten, wie wir sie heute überall antreffen. Er nannte nicht nur mehrere Geschäfte in München sein Eigen, auch in Hamburg, Stuttgart und Nürnberg verkauften Läden unter seinem Namen alles, was der Mensch für den täglichen Bedarf benötigte.
Dieses Engagement und die Zugehörigkeit zu den richtigen politischen Kreisen bescherten dem bis dahin unter dem schlichten Namen Eusebius Tannenberg bekannten Gemischtwarenhändler die Gunst, durch den König von Bayern in den Adelsstand erhoben zu werden, worauf er dem Familiennamen ein "von" voranstellen und den Namen selbst durch Einfügen eines "h" ergänzen durfte. Ein sehr bedeutsames "h" übrigens, welches aus damaliger Sicht die Repräsentanz des Adels erst richtig zur Geltung brachte. Aus Eusebius Tannenberg war Eusebius von Thannenberg geworden.
Hinzugefügt sei, dass Eusebius‘ Familienname keine historische Relevanz aufweist zu Ereignissen des Ersten Weltkrieges, die mit dem Namen Tannenberg verbunden sind.
Geschichte
(Teil 1) – wie es begann
Das Jahr war für Miriam wie ein Traum und dann noch die Hochzeit im August..., mehr konnte sie nicht erwarten.
Eusebius, einige Jahre älter als sie, war tatsächlich ein fürsorgender Ehemann. Stammte sie eher aus bescheidenen Verhältnissen, so war Eusebius zu dieser Zeit bereits ein hochangesehener Geschäftsmann mit einer goldenen Hand für Mensch und Land.
Bald schon bekam die junge Familie Zuwachs, der erste Sohn kam zur Welt. Es folgten in schnellem Abstand zwei Töchter und zu guter Letzt noch einmal ein Sohn. Den von Thannenbergs mangelte es an nichts, als das Jahr 1933 aufzog und die politische Ausrichtung in Deutschland neue Züge annahm. Die Kinder, mittlerweile erwachsen und eingebettet im prosperierenden Unternehmen des Vaters, machten ihren Weg und schickten sich an, selbst Familien zu gründen.
Ein Mann namens Adolf Hitler hatte jetzt das Sagen und es dauerte nicht sehr lange und mehr Männer in Uniformen prägten das öffentliche Bild als andere. Und dann gab es noch jene in schwarzen Ledermänteln, unterwegs in schwarzen Limousinen, die Geheime Staatspolizei.
Antijüdisch war die öffentliche Meinung schon davor gewesen, jetzt aber nahm sie an Fahrt auf und kaum jemandem konnten die Exzesse gegen jüdische Mitbürger, Geschäfte und Einrichtungen entgangen sein.
Erst unmerklich, dann spürbar entriss der Staat seinen Bürgern die Freiheit. Die Freiheit der Rede, die Freiheit nach Information, die Freiheit nach der Entwicklung eigener Vorstellungen, die Freiheit nach allem, was das Leben lebenswert macht.
Angst regierte das Land. Die Ledermäntel waren schnell zur Stelle, wenn es schien, als könne es irgendwo auch nur die kleinste Lücke an Verlässlichkeit im Sinne des Staates, der Partei, der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei, der NSDAP, geben.
Militärische Großmannssucht unterjochte freie Länder. Hegemonismus machte sich breit, der Führerstaat war geschaffen.
(Teil 2) – Aufstieg
Eusebius von Thannenberg fühlte sich wohl im neuen Umfeld. Längst geschätztes Mitglied in der Partei, der NSDAP, sicherte er sich nicht nur die Gunst zahlreicher Führungseliten, er war sogar Teil jenes erlauchten Zirkels, der das Privileg eines direkten Zugangs zum Führer besaß. Und das machte ihn unumstößlich zu einer einflussreichen Persönlichkeit im Land.
Thannebergs Kollonialwaren gab es überall, in den Städten, auf dem Lande und in den Dörfern. Und, wen würde es wundern, Thannenberg Lebensmittel wurden auf Geheiß des Führers sogar an die entfernten Streitkräfte der Armee geliefert.
Getreu dem Motto: Für deutsche Soldaten nur Deutsches Essen auf den Teller!
Wobei die Heeresleitung selbstverständlich Ausnahmen zuließ, soweit es die Versorgung der Wehrmacht in Ländern betraf, die selbst einen hohen Standard pflegten, wie etwa Frankreich. Österreich zählte auch in diesem Sinne zum Deutschen Vaterland.
In den Offizierscasinos schwelgten die Herren vom Feinsten, was die Küche nur bieten konnte – Thannenberg machte es möglich!
Es versteht sich natürlich, dass der empfindliche Magen des Führers der besonderen Obhut des Eusebius von Thannenberg sicher war.
Konzentrations- und Arbeitslager belieferte Thanneberg nicht, jedenfalls nicht das, was die dort Geschundenen als Fraß vorgesetzt bekamen. Ausnahmen gab es für das Personal, die Lagermannschaft, die Aufseher, die Ärzte, die Schinder solcher Stätten der Begegnung, soweit sie das gesetzte Soll des Vernichtungsauftrages erfüllten, mit Sonderrationen bei Übererfüllung!
Eusebius von Thannenberg wurde zu einem wohlhabenden, zu einem reichen Mann und mit ihm seine ganze Familie. Nicht nur er in Person, seine liebe Frau und seine tüchtigen Kinder, liebten den Führer, liebten das System und verachteten jedes und alles, was sich anbot, im Weg zu stehen. Die Ledermäntel räumten flugs beiseite, was nicht hingehörte.
Und so war es nur eine Frage der Zeit, dass eine Vorzeigefrau und Mutter, wie Miriam von Thannenberg, zu höchsten Ehren kommen würde. An einem Sonntag im Mai des Jahres 1939 verlieh der Führer höchst persönlich das Mutterkreuz in Gold mit Schwertern am Band der so hochgeschätzten Dame.
Miriam indessen überwältigt, ließ den Tränen freien Lauf und keine geringere als Leni von Riefenstahl bannte jede noch so winzige Nuance des Ereignisses auf Zelluloid und mit melancholischen Tönen untermalt überrollte dieses schwülstige Schwarzweiß-Epos das Land und die Welt.
Wer solcher Gefühle mächtig war, konnte nichts Böses im Sinn haben, so Lenis Botschaft und die des Führers, des Propagandaministers und vieler anderer quer durch die Partei und quer durch das Volk. Es gefiel und stolz waren die Menschen, diesem einzigartigen Volk anzugehören.
Da setzte der Führer noch eins oben auf und begeisterte damit nicht nur sich selbst, sondern seine Bewunderer und wohl auch zahlreiche der unterworfenen Nachbarn: Fortan sollte dieser Tag, als besonderer Tag zu Ehren der Mutter, gefeiert werden.
Mitreißend verkündete aus den Volksempfängern, jene schwarzen Radioempfänger mit dem schwarzen Drehknopf unterhalb der Frequenzskala, die jeder Haushalt sein Eigen nannte, des Führers Stimme die getroffene Entscheidung und er fügte an, dass es zwar andere Länder geben mochte, gerade im fernen Amerika, die diesen Tag der Mutter für sich reklamierten, es aber unter der Sonne dieser Erde kein tieferes Gefühl geben könne, als das vom Deutschen Volk empfundene für seine