Was macht ein gemütlicher Geist, wenn er jemanden dabei ertappt, böse gewesen zu sein? Er befindet sich in einem Dilemma! Soll er den Bösen jetzt gleich für böse halten? Aber dann wäre er ihm ja nicht mehr sympathisch. Das geht aber nicht. Also hält er ihn für dumm … noch hat er die Wahl. Ein Dummer hat Aufklärung nötig, das ist alles … und schon ist die Welt wieder in Ordnung und der gemütliche Geist kann weiterhin das Leben genießen. Wenn nun aber der angenommene „Dumme“ immer weiter boshaft reagiert und jede sich bietende Chance nützt, dem Gemütlichen eins auszuwischen? Müsste der ihn dann vielleicht nicht nur für intelligent halten, sondern ihn womöglich als noch intelligenter einstufen als sich selbst. Dann bräuchte der gemütliche Geist ja selbst Aufklärung, um zu verstehen, warum der Boshafte boshaft ist. Sollte ihm das Ergebnis der Aufklärung dann nicht gefallen, steht er aber wie ein begossener Pudel da … was soll er denn jetzt machen? Soll er den Bösen so hassen wie der Böse ihn hasst? Nein, das wäre sicherlich der falsche Weg – ebenso wie der Weg falsch ist, den Bösen nicht als böse, sondern als gut ohne Aufklärung zu bezeichnen. Handeln ist jedenfalls angesagt!
Wir leben in einer mörderischen Welt? Das kann nicht sein – dann wären wir ja ständig vom Tod bedroht. Wie viele Menschen sind täglich vom Tod bedroht? Hier noch nicht allzu viele. Man kann sogar den Prozentsatz derart klein rechnen, daß man schließlich auf nicht mal ein Promille kommt. Bei einiger Begabung ist das möglich. Dann rechnet man noch den guten Willen gemütlicher Geister so weit hoch, daß die Welt daran genesen wird. Auch das geht. Man sagt sich einfach: „Wenn alle so gutgläubig wären wie ich, dann wäre die Evolution völlig unnötig, oder sie würde derart human ablaufen, daß sie keiner mehr bemerken würde." Dadurch ist ein Beweis erbracht, der sich nicht erbringen lässt, wenn man, außer rechnen, noch denken kann. Dem Denker würde auffallen, wie gering der Prozentsatz der Leute ist, die schlichtweg böse und gleichzeitig unglaublich dumm sind. Die meisten Bösen wissen – trotz ihrer geringen Intelligenz – was sie wollen! Ist das nicht komisch? Da muss man doch lachen! Das ist ein Grund sich zu freuen, zu schunkeln, ein Gläschen Wein zu trinken … stopp! Alkohol trinken ist verboten. Das haben sich diejenigen ausgedacht, die vor den Augen der Welt als gut dastehen wollen, weil es gegen Gottes Gebot ist. Welchen Gottes? Welches Gebot? Welche Leute?
Kein Alkohol (es muss ja nicht jeder ein Alkoholiker sein, der manchmal ein bisschen was trinkt), kein Dies, kein Das, keine gedankliche Freiheit? Das kommt darauf an – man muss schließlich die Freiheit haben, sich einzuschränken … es gibt ja auch noch das Gebet! Gebete sollen gewöhnlich in Massen ausgeübt werden, da sind sie eindringlicher. Und dann die Frauen …? Was ist mit ihnen? Da müssen wir aufgeklärt werden! Aber von wem? Wer ist böse – wer ist gut? Gut ist, der von Frauen nicht sexuell abhängig sein möchte und sie deshalb erst gar nicht sehen will … außer in seinem Schlafzimmer, versteht sich! Gut ist, wer sich von Frauen herausfordern lässt, ihren Reizen zum Opfer fällt und ihnen erlaubt, sich in der Öffentlich fast (oder ganz) nackt zu zeigen? Überlassen wir ihnen jetzt doch einfach die freie Kleiderwahl – geben wir ihnen die Möglichkeit, auch im Sommer in langen Mänteln verborgen herumzulaufen, wenn sie das gut finden. Das geht doch die Männer nichts an! Das ist eine Absprache zwischen den Frauen und Gott! Dann erübrigt sich gleichzeitig die Frage, was man mit Frauen machen soll/darf, die sich im Bikini (oder noch schlimmer) zeigen. Ein gemütlicher Geist nimmt volle Rücksicht auf die freie Entfaltung, durch die riesige Bandbreite sämtlicher zur Verfügung stehender Einschränkungen. Nichts anderes ist erwünscht!
Irgendwann passt sich der gemütliche Geist den Einflüssen laut propagierter Vernunft nahtlos an. Und der Wandel von Gut zu Nochbesser hat begonnen! Der Geist gesteht sich ein, sich geirrt zu haben, als er das Böse für ungut hielt, weil er sich zunächst einfach nicht anpassen wollte – obwohl doch alles klar auf der Hand lag: Eine Bevölkerungsmehrheit kann nicht schlecht sein, weil sie nicht schlecht sein darf … sonst kommt das seelische Gleichgewicht durcheinander und die Zukunftsperspektiven verschwinden auf der Stelle – wobei sie erst langsam, in einer Art Siechtum, in die Versenkung hinabdämmern, wenn man an das Gute im Bösen glaubt. Der gemütliche Geist ist stets dazu bereit, denn er selbst ist gut, und er arbeitet ständig an sich selbst! Während er das tut, geht er so eindringlich mit guten Beispielen voran, daß er zunächst nicht einmal ausgelacht wird. Im Gegenteil: Er erweist sich für das Böse als überaus nützlich, da er täglich aufs Neue getäuscht werden kann. Er rebelliert ja nicht, er lehnt sich nicht auf, er denkt und arbeitet vor allem positiv! Und das positive Denken wiederum schließt automatisch die Kritiklosigkeit mit ein. So ist es vom Gesetzgeber vorgeschrieben, so wird es praktiziert … und wenn nicht, dann muss dafür gesorgt werden, daß gemütliche Geister schnell aussterben! Das geht ganz leicht! Das können wir auch!