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zurück. „Mein Name ist Baron Samedi, vielleicht kennst du mich ja auch unter dem Namen Papa Legba? Nein? Oder Baron del Cementerio? Viele nennen mich schlicht Elijah. Ich habe so viele Namen, dass ich sie selbst alle oft gar nicht mehr weiß. Ich bin ein Loa, der Chief aller Mambos. Ich bin gekommen, um dir, dem jungen Bürschchen, zum Ruhm zu verhelfen. Es ist doch genau das, was du dir hier, heute, erhoffst, richtig?“
Rob schluckt. Leise sagt er: „Ich möchte mein Gitarre-Spiel so verbessern, dass alle Welt davon Kenntnis zu nehmen auch bald darauf gezwungen ist. Ich möchte den Blues so spielen, dass der Begriff „Blues“ - auf immer und ewig - mit meinem Namen in Verbindung gebracht wird. Dies ist mein Wunsch!“
Der Baron schmunzelt. „Diesen Wunsch erfülle ich dir gern. Es gibt nur einen Haken bei der Sache, Jüngling. Den klitzeklein zu benennenden Haken, mein Sohn. Du wirst mir deine Seele, für wirklich überragende musikalische Fähigkeiten, verpfänden und überlassen. Und ich habe 3 Forderungen: 1) Du wirst nie nach Greenwood, hier in Mississippi, gehen. 2) Du wirst deiner jungen Frau nicht untreu werden. 3) Du wirst das Feuerwasser meiden! Trinke Wein oder Bier, trinke Most oder Schaumwein, aber lasse ab von Whisky und Schnaps allgemein! Kannst du mir also jetzt die Hand darauf geben? Ich erhalte deine Seele, und du versprichst mir, die Forderungen zu erfüllen! Haben wir einen Deal, junger Mann?“
Robert schlägt ein. Die kraftvolle Pranke drückt heftig zu. Er ist wie besessen von dem Gedanken, einer der besten Gitarristen dieser Zeit zu werden. Er fühlt die Macht in sich, sie strömt in nie gekannter Weise durch all seine Glieder, Lava heiß, jede Pore öffnet sich dem Neuen, Unbekannten, neigt sich jenem Baron Samedi zu. Der scheint die Hand des jungen Mannes gar nicht mehr loslassen zu wollen. Mit fast grimmigem Blick nährt er die Wucht des Augenblicks, der Augenkontakt ist in diesem Moment beinahe physisch spürbar. Eine heiße Welle durchtobt Robs Körper, dann erschlafft seine Hand, er fällt in eine für ihn wohltuende Ohnmacht. Zuvor hatte Papa Legba ihm noch gesagt (möglicherweise aber auch nur über seine Gedanken mitgeteilt): „Verstößt du gegen die Regeln, wirst du in deiner letzten Stunde, im bösen Todeskampf, selbst in ein Höllentier verwandelt; du wirst bellend wie ein Hund, auf allen Vieren, elend verrecken, als grausam entstellter Höllenhund!“
Während der junge Musiker wie tot darniederliegt, spielt Baron Samedi den „Vicksburg Blues“ auf der Gitarre des jungen Rob. Er spielt konzentriert, exzellent, legt seine komplette Energie in dieses ganz besondere Stück. Was sein Mindset betrifft, so hätte Rob sicherlich noch einiges lernen können, unübertroffen die Fingerfertigkeit, extraordinär der Stil. Doch Robert liegt dort und ist derzeitig nicht ansprechbar. Am weiteren Geschehen hat er nicht den geringsten Anteil.
Als Robert Johnson erwacht, liegt die Gitarre, seine Kalamazoo, unversehrt neben ihm. Es ist früher Morgen, ein sehr diesiger, sanfter, etwas frischer Morgen, der 13. August. Sofort nimmt er die Gitarre an sich. Er zupft vorsichtig. Wie flink die Finger über die Saiten fliegen, wie wunderbar sich das anfühlt. Dieses Fingerpicking, es geht ihm so leicht von der Hand wie nur das Rühren in einer Kaffeetasse. Welch komplizierte Klangfolgen er zu spielen plötzlich in der Lage ist. Unfassbar. Dies müsste Ike Zimmerman hören, oder sein alter Freund und Mentor Son House. Sie würden es kaum glauben können, was sie hörten.
Rob ist überwältigt. Er zupft die Bass-Saiten seiner Gitarre noch wirkungsvoller als je zuvor. Er ist ein König auf seiner Akustik- Blues-Gitarre, seiner geliebten Gibson, ein König.
Er geht zurück nach Robinsonville, überraschte dort mit seiner exzellenten Gitarrentechnik und seiner mehr als erstaunlichen Fingerfertigkeit. Viele kannten ihn als ausgezeichneten und in jeder Hinsicht brauchbaren Mundharmonika-Blues-Spieler. Es gab auch einige wenige, die ihm eine Karriere als Gitarrist im Bereich des Blues durchaus zutrauten, aber was er jetzt, hier, auf der Gitarre zeigte, das war so stark, dass einige der alten Freunde den Mund während eines Vortrags einfach nicht mehr geschlossen halten konnten. Sie gafften, glotzten, staunten - und ja, sie hielten den Mund offen. Welch unglaubliche, nicht zu fassende Wandlung hatten sie miterleben dürfen! Aus dem „ganz guten, aber nicht unbedingt begnadeten Robert Johnson war ein genialer, beeindruckend starker Blues-Gitarrist, guter Sänger und überwältigender Komponist geworden, der diese Musik, den Blues, tief in seinen Adern fließen ließ!“
Unglaublich geschlossen klingen die Songs und Kompositionen jetzt, er bewegte sich nun auch sehr frei in diversen Rhythmen und es entstand oft der Eindruck, dass mehrere Personen auf der Bühne spielten. Der Gesangstil macht seine Lieder völlig unverwechselbar. Mal klagt und weint er fast, dann wieder ist das Jauchzen und Triumphieren ein Hauptbestandteil. Immer aber ist sein Gitarrenspiel mit Gesang verknüpft. Dies war vor dem Kontrakt nicht der Fall. In den Tonarten A und E bewegt er sich völlig natürlich, neu hinzugekommen sind jetzt offene Stimmungen (hier die offene D-Stimmung und die offene G- Stimmung, open tunings genannt), er nutzte dabei meist G und C. Abgeklärt spielt er jetzt, wie ein gestandener Blues- Musiker. Ausgefeilt und einzigartig seine Bottleneck-Technik. Die jeweilige Dominante oder Subdominante hält er dabei entweder mit einem ausgestreckten Finger oder mit einem Glas- oder Metallzylinder, den er über einen Finger der linken Hand stülpt. Mitunter macht er sich einen Spaß daraus, den Unterschied aufzuzeigen, vom ruhigen und sehr gelehrigen Schülerspiel (wie bei Son House) hin zu einem aufsässigen, rebellischen und ureigenen Stil zu wechseln.
Ein originärer Songwriter und hervorragender Sänger ist aus ihm geworden. Mit seinem Gitarrenspiel beeindruckte er die Bluesgrößen Sonny Boy Williamson II., Robert Nighthawk, Howlin´ Wolf sowie Memphis Slim. Das war 1934, in einer Stadt namens Helena (Arkansas), als er auf eine Reihe der damals schon sehr bekannten Bluesgrößen traf. Seinen Idolen aber blieb Johnson immer treu. Es waren Son House, Kokomo Arnold, Skip James, Peetie Wheatstraw und Lonnie Johnson, mit dem er aber nicht verwandt war, um nur einige zu nennen.
Seine Ehefrau Caletta „Callie“ Craft, die er erst ein Jahr zuvor in Hazlehurst geheiratet hatte, schien ihn argwöhnisch und auch sehr missbilligend zu beobachten. Robert war gar nicht gerne zuhause, bei seiner Frau. Ihm