Ich bin doch ein Sternenjunge Geschichten zum Vorlesen

Bild zeigt Flora von Bistram
von Flora von Bistram

Der dreijährige kleine Johannes meint, er sei ein Sternenjunge, weil er wie die Sterne nachts Abenteuer erleben möchte. So entstehen bei ihm Phantasie- und Traumgeschichten, gekoppelt mit echten Erlebnissen.
Ob sich der Prinz aus der Tapete löst und einen Ritt mit ihm unternimmt, ob der Mond ihn mit auf Reisen nimmt oder die Flickenfee ihm zeigt, wofür sie die vielen bunten Stoffreste benötigt, der kleine Sternenjunge ist immer ganz in die Abenteuer vertieft. Er möchte auch nicht gerne von den Eltern Träumerchen genannt werden, denn er erlebt seine Geschichten.

Leseprobe

Der kleine Sternenjunge und der Tapetenprinz

Der kleine Sternenjunge Johannes lag in seinem Bett. Wie langweilig war das Bett doch. Hier ein Kissen, eine Wand, da die Decke. Wenn man lag, konnte man an die Decke starren. Er drehte sich auf die Seite, dann war es immer die Tapete mit den Bäumen und dem See. An der anderen Wand war die Tapete etwas aufregender. Die Zwerge turnten darauf herum, ein Prinz ritt auf einem Pferd, eine Prinzessin spielte mit einem goldenen Ball. Er gähnte.
„Das kenne ich doch schon alles. Ich kann mir doch nicht immer nur Bilder ansehen, die sich nicht bewegen und nichts sagen. Dabei ist doch in der Welt so viel los.“
Er stippte mit dem Finger den Prinz auf dem Pferd auf der Tapete an.
„Hey Prinz, sei mein Reiter. Nimm mich mit in deine Abenteuer!“

Kaum hatte er das ausgesprochen, sprang das Pferd mit dem Reiter aus der Tapete und stand mit wehender Mähne vor dem Bett. Der Prinz hob den Jungen nach einer tiefen Verbeugung auf das Pferd
„Sternenjunge, du hast mich gerufen, also reiten wir in ein neues Abenteuer.“
„Hui“, rief der Sternenjunge, „das ist ja ein Spaß! Wer bist du eigentlich? Ich kenn dich ja nur als Prinz von der Tapete.“
„Das ist ganz richtig, ich bin Prinz von Tapetenland. Wir reiten in das Königreich meines Vaters, dem König von Tapetenland. Da kann ich dir ganz viel zeigen, was dir sicher gefallen wird.“
Johannes lachte, denn das wurde sicher ein tolles Abenteuer. Er war ganz gespannt, was er wohl zu sehen bekam.

Der Ritt dauerte gar nicht lange, da hing vom Himmel schon die erste Tapetenrolle herunter. Darauf waren Bäume und Büsche gedruckt. Zwischen den Bäumen sah man Hase und Rehe sitzen und stehen, aber sie waren unbeweglich. Über eine grüne Tapete mit Gräsern und Zäunen ritt der Prinz mit ihm weiter. Auf den ersten Blick sah es fast echt aus, aber dann merkte man doch, dass es eben eine Tapete war.
„Schau doch nur unseren wunderschönen Fluss mit dem Wasserfall, dem See und bunten Blumen!“ Der Prinz zeigte mit weitausholender Geste nach vorne und tatsächlich, der Sternenjunge war beeindruckt. Ein großer Wasserfall rauschte vom Himmel herab, fing sich in einem kleinen See und lief als kleiner Fluss weiter. Die Bäume und Büsche saßen voller bunten Blüten und die Papageien saßen auf den Zweigen, es gab Blumen- und Streifentapeten und viele mehr.

„Oh, ist das schön.“ Die Augen vom Sternenjungen wurden ganz groß. Er sah zwar, dass alles nur auf Tapeten gedruckt war, doch wirkte es so echt auf den ersten schnellen Blick, dass er nur staunen konnte. Und schon ging der Ritt weiter.

Johannes fühlte sich ganz sicher bei seinem Prinzen und genoss den warmen Wind. Plötzlich wurde es dunkler. Schwarzblaue Tapeten mit unendlich vielen Sternen hingen nun plötzlich um sie herum. „Da, auf einer ist ja mein Freund Mond“, rief Sternenjunge aufgeregt.

„Hallo lieber Mond, hallo. Schau nur, mit wem ich hier bin!“
Doch der Mond antwortete nicht. Klar, er war ja auch nur auf die Tapete gedruckt worden. Dabei sah er so echt aus, dass Sternenjunge sich noch einmal umdrehte, um ihn anzuschauen, doch was war das denn? Im Zurücksehen hingen vom Himmel nur weiße lange Bahnen herunter… alles war weiß, oha, die Welt hatte gar keine Farben mehr.
„Tapetenprinz, Tapetenprinz, was ist denn mit der Welt passiert? Sie hat ja gar keine Farbe mehr?“

„Du darfst nicht zurückschauen, Tapeten haben nur eine bunte Seite, es ist nur eine Illusion, was sie uns zeigen und doch gestalten Tapeten das Leben fröhlich und bunt… du musst nur nach vorne schauen.“

Der Sternenjunge drehte sein Gesicht wieder nach vorne und tatsächlich, so viele bunte Farben sprangen ihnen da wieder entgegen, Streifen, Kringel, Wölkchen, Pferde. Er entdeckte auch viele bekannte Gesichter aus seinen Kindersendungen wieder, die er ab und zu mit Mama oder Papa im Fernsehen schauen durfte. Da, war das nicht der Froschkönig? Ja klar, die Prinzessin bekam gerade die goldene Kugel von dem Frosch überreicht und dort… ach die sieben Zwerge und Schneewittchen. Die Tauben begleiteten den Königssohn und Aschenputtel. Und ein ganz buntes Dorf.

Und da war auch schon das Schloss von Tapetenland. Der Sternenjunge staunte. So groß und schön, leuchtend mit Türmen und Zinnen. Kleine Springbrunnen in dem Rosenpark und viele Leute, die sich verbeugten.

„Ach Prinz, das ist ja schön bei dir. Ich bin mal gespannt, wie es in eurem Schloss aussieht.“
Das Gesicht des Prinzen war nun nicht mehr so lachend und fröhlich. Er hielt das Pferd an und sie standen still.
„Warum reitest du nicht weiter? Ich wollte doch auch sehen, wie es in deinem Schloss aussieht.“ Johannes war ganz aufgeregt.
„Komm, reite weiter und zeig mir alles.“
„Nein mein lieber Johannes, hier endet unser Ritt, denn wenn du genau überlegst, wirst du wissen, wie das Schloss aussieht, wenn wir durch das Schlosstor reiten würden. Denk daran, wo wir hier sind.“
„Ich weiß, wir sind im Tapetenland. Meinst du… ähm, willst du sagen… „ Der Sternenjunge wollte es gar nicht aussprechen, was ihm plötzlich einfiel.
„Willst du etwa sagen, dass auch das nur eine Tapete ist, mit einer weißen Rückseite?“
Der Prinz nickte.
„Ja Sternenjunge. Die Säle im Schloss haben auch alle nur eine bunte Seite und die Rückseite ist langweilig weiß oder dunkel… Darum bin ich viel lieber bei dir. In deinem Zimmer auf der Tapete erlebe ich alle deine Späße mit, sehe dich, deine Eltern und deine Freunde, auch deine Spielsachen. Alle, alle haben nicht nur eine Seite, sondern haben mehrere, egal, wie sie sich drehen. Sie sind rund oder kantig, klein oder kurz und so weiter, sie sind so voller Abwechslung.“

„Ach Prinz, dann lass uns wieder heimreiten, das gefällt mir dann auch besser, als die flachen langen Bilder. Man kann ja nicht nur mit Bildern spielen und leben.“
Der Prinz wendete sein Pferd, alles wurde weiß und diese Helligkeit konnte Johannes nicht gut haben, darum schloss er seine Augen.
Als der Sternenjunge seine Augen wieder öffnete, lag er in seinem Bett und vor ihm leuchtete ein Strahl des Mondes an die Tapete, genau auf den Reiterprinzen. Und Johannes war sich ganz sicher, dass der Prinz ihm ganz leicht zunickte und blinzelte.
(floravonbistram)

Wo die größeren Absätze sind, gehören Bilder hin, die hier jetzt nicht dabei sind

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