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John Butterfield ist der Herausgeber der Gubblecote Gazette, einer ortsansässigen kleinen Zeitung, Auflage 1.200, in Lendon Grove, Gubblecote, Tring. Sie wird mit nur sechs Personen, im täglichen Kampf um Schlagzeilen und Leserzahlen, betrieben.
Zwei der, neben dem Herausgeber, wichtigsten Protagonisten sind: Thomas Colley (49), Chefredakteur, und Ruth Osborne (37), Ressortleiterin. Vor Ort recherchiert der unermüdliche, wenngleich auch meist total betrunkene Gilbert White, vom Chef nur deshalb [widerwillig] geduldet, weil er, zu seinem Leidwesen, dessen Großonkel (‘Gruncle’) ist.
Die Gubblecote Gazette wird im Tring Rural gelesen, Dacorum, Hertfordshire, im Südwesten von England, und existiert bereits seit 1948. Gestartet mit einer Auflage von lediglich 120 Exemplaren, Herausgeber war der Vater von John Butterfield, mit identischem Namen, Anhang „senior“, verstorben 1981. Seither ist Butterfield junior der Chef, und er hat diese Tageszeitung tausendfach vor dem totalen Aus gerettet. Darf man es zu sagen wagen: Nahezu monatlich? Ja, das darf und sollte man.
Der größte Rivale ist die Hemel Gazette (Hemel Hempstead), Auflage 1.000. Bei der Gubblecote Gazette ist man nicht unerheblich stolz darauf, trotz der sicher deutlich geringeren Einwohnerzahl, dennoch die höhere Auflage aufbieten zu können. John Butterfield ist davon überzeugt, dass er bis zu 200 Leser aus Hemel auf seine Seite hatte ziehen können. Leser, die täglich die „GuGa“ (Lokaljargon) lesen, in der Regel nicht mehr als etwa 12 Seiten (mit Werbung) umfassend, aber täglich erscheinend.
„Meine periodisch erscheinende Druckschrift“, so der stolze Herausgeber anlässlich des 70jährigen Bestehens, während einer Feierstunde im Gemeindehaus (Wilstone Green), „besteht nun bereits seit 70 Jahren, sehr verehrte Anwesende, und ich bin so vermessen zu sagen, sie wird auch weitere 70 Jahre locker überstehen! Sicherlich!!“
Fahrraddiebstahl oder ein defekter Weidezaun, das waren meist die Schlagzeilen der GuGa; die trunkenen Klamauk-Eskapaden eines gewissen Gilbert White, und, eher seltener, auch die Dokumentation einer Geldstrafe durch den Friedensrichter wegen „Beschädigung eines öffentlichen Gebäudes durch Grafitti“ (Rathaus-Schmiererei, Riesen-Penis). Am 6. April 2018 jedoch hielt der Ort den Atem an. Der 1. Mord seit 1736, wirklich und tatsächlich, er wurde entdeckt. Am frühen Morgen. Außer sich vor Freude, mit einem Magenta roten Gesicht, das auf sehr hohen Blutdruck schließen ließ, rief der Boss seine Leute zusammen. Alle waren da, nur Gilbert White fehlte, der laut einer Text-Nachricht zu „Recherche-Zwecken“ im „Black Horse“ weilte. 8:15 Uhr Ortszeit, aber es schien niemanden wirklich zu verwundern. Denn White schlief mitunter sogar im Black Horse, einem Pub in Gubblecote. Viele waren sich ziemlich sicher, dass er dort auch seinen amtlich bestätigten Wohnsitz hatte.
In Bovingdon war die grausam zugerichtete Leiche von Ann-Mildred Dairyman, 25, gefunden worden. Mit über 30 Stichwunden regelrecht zersägt, der Kopf nahezu abgetrennt, dies arme Mädchen war, in abgrundtiefem Hass und totaler Raserei, noch nach dem Ableben entsetzlich verstümmelt und gedemütigt worden. „Sehr selten habe ich, in meiner 27jährigen Laufbahn, eine solchermaßen zugerichtete Leiche sehen müssen“, meinte Detective Constable Laurel Laurence Warhood, von der DLCU, dies ist die Dacorum Local Crime Unit, zuständig für den Tring Rural. Der altgediente Constable gab später im Black Horse zu, dass dies seine erste Leiche überhaupt gewesen sei. Er habe niemals zuvor eine Leiche gesehen. 14 Tage musste er sich hernach dienstfrei nehmen, so sehr hatte ihn das Geschehen mitgenommen.
Für John Butterfield und seine tapferen Getreuen war dies die wohl größte Chance schlechthin. „Wir müssen der Hemel Gazette zuvorkommen“, brüllte, trunken vor Gier und recht billigem Port, der Herausgeber. „Vor 12 Minuten kam die Meldung. Also ran an den Speck. Die Sonder-Ausgabe sollte bereits heute Abend unter die Leute gebracht werden. Auflage: 2.400!“ Butterfield klemmte seine beiden Daumen unter die Hosenträger. Er strahlte seinen besten Mann, Thomas Colley, an:
„Tom, hau mir einen flotten Text raus, 3-5 Fotos dazu, alle Infos vom Fax mit hinein, schön langatmig bitteschön, viele Mutmaßungen, Andeutungen, sehr viel Mysteriöses und Bizarres, kreiere einen feinen Mix aus Realität und Fantasie, aber bitte, mit mehr Fakten als Fake-News... Comprende?“
Colley, kurz: „Und wer macht die Fotos? Gilbert, die alte Saufnase?“
Butterfield: „Nein, lasst den völlig außen vor. Der soll, wenn möglich, gar nichts von der Sache erfahren. Ich mache die Fotos selbst. Wenn ich in drei Stunden wieder da bin, möchte ich (sieht auf die Armbanduhr), so gegen 13 Uhr, in Druck gehen!“ Ruth stoppte den Boss, der bereits Hut und Mantel vom Haken genommen hatte. „Halt! Wir wissen ja noch gar nicht, wie wir den Mörder nennen sollen! Wir haben da eine riesige Verantwortung, Chef! Die erste Zeitung, die den Mord bringt, darf ihm, diesem Mörder, doch auch den Namen geben, richtig? Ist das nicht so ein ungeschriebenes Gesetz?“ Butterfield nickt, schnappt sich die Kamera-Ausrüstung, kommt dann aber zurück in den Raum. „Richtig, Ruth! Das muss bedacht werden... Wir sollten also in Ruhe überlegen, wie wir den Kerl nennen wollen. Denn DIESER Name wird dann um die ganze Welt gehen, von Neuseeland bis zur Antipode, Südspanien. Lesen wir also gemeinsam, Wort für Wort, das Fax...“ Alle beugen sich über den Text.
Police appeal for witnesses to gruesome lethal stabbing in Bovingdon! Anyone with information should contact the Dacorum Local Crime Unit on 01442 271042, quoting crime reference 415745118. You can also report information online at www.herts.police.uk (Hertfordshire Constabulary)
Detective Constable Laurel Laurence Warhood, from the Dacorum Local Crime Unit, said: “I appreciate the murder occurred in the early hours but, this may mean any suspicious people or activity or vehicles in the area... Contact us for any information!“
„So!“ sprach kategorisch der Allgewaltige, John Butterfield. „Das sind die Fakten. Wir verlegen den Tatort nach „Grim´s Ditch“, und einen zweiten Toten packen wir nach „Devil´s Dyke“....“ „Einen zweiten Toten?“ echote Ruth entsetzt. „Sehr richtig. Einen zweiten Toten. Und zwar eine bildhübsche junge Studentin namens... namens, tja, Eve Pamphlet. Genau. Eve Pamphlet. Sie war lesbisch, dann haben wir auch einen, wenngleich weit hergeholten Bezug zu „Dyke“. Journalistik hat sie studiert. Exakt. Und sie hatte ein Tattoo auf der linken Pobacke. Einen Salamander. Giftgrün. Sehr auffällig. Tom, du bringst ein ShutterStock-Foto, irgendeine süße blonde Maus. Prüft eh keiner... Später können wir immer noch unser Bedauern über diese Fehl-Meldung bringen. Also, Leute, wie nennen wir nun diesen Hurensohn, diesen bestialischen Messer-Mörder?“
"Wichtiger als alles andere ist der