Der letzte Abend an dem wir gemeinsam miteinander spazierten, war ein warmer Abend im Oktober. Man nannte ihn den goldenen Oktober, weil er so herrlich sommerlich war und das Land in sattes Gold tauchte.
Unser Haus, die Plantage und die Bäume die sie umringten.
Wir schlenderten unter den wuchtigen Eichen, dessen Äste und Blätter, wie Tore über unsere Köpfe ragten und durch die ungeernteten Baumwollfelder, dessen Blüten aussahen, wie prächtige Schneeflocken. Die letzten Vögel flogen weiter gen Süden und mit ihnen ihre hübschen Stimmen. Was blieb, war Stille. Hand in Hand hielten wir einander fest während wir spazierten. Wir hielten den Augenblick fest. Die untergehende Sonne. Unser Haus. Die Plantage. Ihre Eichen und Blüten. Die Vögel. Die Erinnerung an ihr Gezwitscher. Wir hielten das Leben fest.
Wir fragten uns nicht wie oft, oder ob wir jemals wieder einen solchen Spaziergang in der Abendsonne täten würden. Es war so einfach, doch jedes Mal so wunderschön. Und wir fragten uns nicht, ob wir jemals wieder dieses Gefühl dieser Einfachheit, dieser Schönheit verspüren werden würden. Jeder Atemzug ließ mich daran erinnern, dass wir im Hier und Jetzt spazierten. Es gab kein Gestern oder Morgen. Es gab keine Vergangenheit oder Zukunft. Das Hier und Jetzt war das Einzige das zählte.
Schon bald würde die Sonne untergehen. Würden wir mit ihr untergehen?
Die Abendsonne färbte unser Land in herbstliches Orange. In ihrem Licht tanzten fröhlich die Mücken. Wir tanzten mit ihnen. Jeder Schritt, jede Umdrehung, ließ mich daran erinnern, dass wir im Hier und Jetzt tanzten. Jedes Glück von gestern und jeder Schmerz von morgen war fort. Das Hier und Jetzt war das Einzige, das je zählen würde.
Vielleicht, weil es es musste.
Die Musik war die Stille. Es war, als läge ein Hauch von Perfektion in der Luft. Unsichtbar und unantastbar, doch spürbar für jeden, der daran glaubte. Wir glaubten daran. Und es war, als hätten alle Zeiger aller Uhren aller Länder aller Kontinente aufgehört zu schlagen. Wenn auch nur für eine Femtosekunde, doch spürbar für jeden, der daran glaubte. Wir glaubten so sehr daran, wie an nichts anderes auf dieser Welt.
Vielleicht, weil wir es mussten.
Und dann machten wir uns auf den Weg zurück nach Hause. Die Sonne war untergegangen.
Morgen würde er in den Krieg ziehen. Übermorgen würde ich erfahren, dass er gefallen war.
Der letzte Abend, an dem ich alleine spazierte, war ein kalter Abend im Oktober. Ich nannte ihn den schwarzen Oktober, weil er so schmerzlich eisig war und Feuer und Asche das Land, in satte Farben der Trauer tauchten.
© Elise Renoir (2014)