Sanssouci

Bild von Lena Kelm
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(Auszug)

Sorgenlos wollten wir durch den Park Sanssouci flanieren.
Das herrliche Hochsommerwetter spielte mit. Uralte Bäume
spendeten großzügig Schatten auf dem breiten Weg, der
gesäumt von kleinen Statuen, am Springbrunnen vorbei
direkt auf das Schloss zuführte. Die Wasserkaskaden glitzerten
und funkelten im Sonnenschein. Ein bezauberndes Bild! Hier,
auf den Bänken im Halbkreis um die Fontäne, wollten wir
eine Weile bleiben, das Schloss im Blick, das in der Sonne
noch prunkvoller golden glänzte. Die Seele nährt sich von
dem, woran sie sich erfreut, ist einer meiner Lieblingssprüche.

Um uns viele Touristen, verschiedene Sprachen, Spaziergänger
fasziniert wie wir vom preußischen Garten und seiner Geschichte.
Kameras wurden in die Höhe gehalten, nach links, rechts, nach
unten und wieder in die Höhe. Neben uns saß eine Familie
mit halbwüchsigem Sohn, Asiaten. Sie unterhielten sich leise.
Mir fiel eine kleine ältere Frau gegenüber auf. Ich betrachtete
ihr volles kastanienbraunes von Silberfäden durchzogenes Haar,
als sie plötzlich die Arme ausbreitete und dem Asiaten neben mir
zurief: „Bella! Bella!“ – und noch einmal: „Bella!“ Ihre Augen
glänzten verzückt. War sie vom Panorama überwältigt?
„Oh, bella Italia!“, antwortete der attraktive Asiate. Die Frau
schaute verblüfft. Euphorisch rief der Mann ihr zu: „Oh, bella,
bella Italia!“ Sie erwiderte: „Si, Roma!“ Und der Asiate: „Pizza!
Pizza!“ Hilfesuchend drehte er sich zu meiner Tochter um. Eher
aus Spaß rief nun auch sie: „Spaghetti!“ Der Asiate stimmte
freudestrahlend ein: „Pizza, Spaghetti!“ Ich rief: „Cappuccino!“
Er: „Oh, Pizza! Spaghetti! Cappuccino!“ Und erneut: „PIZZA!
SPAGHETTI! CAPPUCCINO!“

Auf einmal war es mir peinlich. Warum bloß fielen uns nicht
andere italienische Vokabeln ein? Wie jetzt beim Schreiben,
amore oder amico zum Beispiel?

Ratlos saß die Signora da, dem Jubel des Asiaten nicht gewachsen.
Zögerlich fragte sie: „Japan?“ – „No?“ – „China!“ Ein Chinese also.
„Oh“, entfuhr es der Italienerin, mit einer Handbewegung deutete
sie Hinter-allen-Bergen an. Der Chinese machte ein Flugzeug vor.
Dann fiel ihm doch noch etwas Besonderes ein. „‘O sole mio! ‘O sole
mio!“ deklamierte er hingerissen. Er war nicht mehr zu bremsen.
Indessen gesellte sich der Ehemann zur Italienerin, ein grauhaariger
Herr in kurzer Hose. Der Chinese richtete sich zu voller Statur auf,
mindestens ein Meter achtzig war er groß. Theatralisch breitete
er seine langen Arme aus und sang wie ein professioneller Tenor:
„‘O sole mio! ‘O sole mio!“ Er sang mit größerer Hingabe als der
berühmte Placido. Ich begann, zu applaudieren, andere fielen
ein. Dann klatschten alle. Ringsumher lächelnde Gesichter,
Freudefunken, Glück! Es klang wie eine Hymne auf die Menschen.
Winkend zogen wir weiter.

Veröffentlicht / Quelle: 
Im Prinzip gibt es alles - Erzählungen

Interne Verweise

Kommentare

29. Jan 2018

Bin begeistert. Mittendrin. So farbig und bildreich kommt die Geschichte daher, dass ich sie in einem Rutsch gelesen habe. Mich eingefangen fühlte von der Atmosphäre der Menschlichkeit, die sich spontan während einer Besichtigung von Sanssouci im internationalen Touristentrubel gebildet hat. Klasse.

Liebe Grüße,
Monika

30. Jan 2018

Liebe Monika Laakes,
es freut mich sehr, dass die Geschichte Sie begeistert hat.
Genau so habe ich die Athmospäre empfunden und nicht nur mit dem Auge, sondern mit dem Herzen festgehalten. Es ist so schön, dass Sie mt mir dieses Gefühl geteilt haben.

Vielen Dank für Ihren freundlichen Kommentar.

LIebe Grüße,
Lena Kelm

29. Jan 2018

Eine wunderschöne Geschichte - genauso schön wie der Park Sanssouci nebst Schloss. Und ich schließe mich Monikas Ausführungen gerne an.

Liebe Grüße,
Annelie

30. Jan 2018

Herzlichen Dank, liebe Annelie!

Liebe Grüße,
Lena