Der Fremdling

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von Heide Nöchel (noé)

Die Meisten hatten nichts gegen den Fremdling.
Entweder war er ihnen egal, weil er nicht in ihre Zuständigkeit fiel, oder sie tolerierten ihn, denn sie sahen ihre Belange nicht betroffen. Einige von ihnen, die näher mit ihm zu tun hatten, mochten ihn sogar leiden, denn er erleichterte ihnen ihre Arbeit zum Teil erheblich.

Nur eine kleine, radikale Gruppe agitierte von Anfang an gezielt gegen ihn.

Die Aktivität der Mächtigen erschöpfte sich (notgedrungen) in Beschwichtigungsversuchen, die zu Beginn auch fruchteten. Aber die Abwehrhaltung wurde im Laufe der Zeit immer massiver und zog weitere Kreise. Bald entschloss man sich, auf die Unruhestifter zu schießen, aber auch diese Maßnahmen trafen nicht ins Ziel. „Ausländer raus!“, lautete die Parole, auch Weghören nutzte nichts mehr.

Inzwischen war das ganze System in Mitleidenschaft gezogen. Die massiven Abstoßungsreaktionen hatten am Ende den ganzen Organismus jeder Lebensgrundlage beraubt. Schließlich war es der Körper des Patienten selbst, der das Organ nicht hatte annehmen wollen!

Als das implantierte Herz es müde war, sich gegen die lebensbedrohlichen Angriffe zur Wehr zu setzen, stellte der gesamte Organismus jede Tätigkeit auf Dauer ein.

„Wir haben alles versucht“, sagten die Ärzte. Kaum einer widersprach ihnen.

noé/1989-2016

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