Corona: Total War

Bild von Q.A. Juyub
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Meine lieben Bravbürger, Haltungsjournalisten, Sykophanten und obrigkeitshörige Analkrabbler!
Es ist jetzt einige Zeit her, dass ihr die letzte Proklamation eurer greisen Führerin vernommen habt und sollt nun freudig die Ärmel hochkrempeln, um euch mit einem eilig zusammengerührten Heilmittel impfen zu lassen. Viele von freilich verzichten zunächst auf diese Ehre, da die Langzeitwirkung des Impfstoffes bisweilen unbekannt ist und ja genug Versuchskaninchen vorhanden sind. Deshalb die Parole an den treuherzigen Untertan: Freiwillige vor!
Die pandemische Krise, die wir durch die gewohnten Unterlassungen und später durch blinden Aktionismus mitverursacht haben, steht einmal wieder auf dem Höhepunkt. Wir hatten uns im Zeichen des sogenannten Krieges gegen den Virus – als wenn man gegen virale Infektionen Krieg führen könnte, solch rhetorisches Geplänkel nehmen uns sowieso nur die Weisesten ab – so gefreut, endlich einen Vorwand zu haben, euch diese lästigen Grundrechte endlich einzuschränken oder ganz klauen zu können. Naja, so ein schöner, kleiner Krieg diente der herrschenden Klasse neben der klingenden Kasse bei wachsenden Leichenbergen schon immer dazu, die niederen Untertanen so richtig zu knechten und mit diesem verschwörungstheoretischen Dissidentenpack endlich gründlich aufzuräumen. Zwar ist es nicht mehr ganz zeitgemäß, schwächere Nachbarn heimtückisch zu überfallen und mit unserer Schrottarmee könnte dies durchaus übel ausgehen, aber so ein kleiner, erfundener Pseudo-Krieg ist auch nicht übel, da kann man sich auch gut austoben und den Pöbel mit allerlei Anordnungen beglücken.
Oberste Pflicht des braven Untertanen ist nun das Zusammenrücken zu einer einigen Zwangsgesellschaft, die klaglos jeden Mist mitmacht, der uns in Ermangelung geeigneter Maßnahmen einfällt. Die Zeitgenossen aus östlicheren Gebieten dürften nun in nostalgischen Gefühlen schwelgen und an den berühmten monolithischen Block, den die Gesellschaft in totalitären Systemen mit sozialistischem Anstrich bilden sollte, denken.
Ihr seht, wir sind voll die Demokraten! Wenn ihr das für eine unverschämte Lüge oligarchischer Menschheitsbeglücker haltet, dann seid ihr keineswegs so dumm, wie wir euch halten; verratet das aber niemandem.
Es war für uns erschütternd, zu vernehmen, dass es noch immer hetzerische Leugner und Hassprediger gibt, die es tatsächlich wagen, uns zu kritisieren und ihren zersetzenden Skeptizismus wie eine mentale Krankheit im Lande ausbreiten. Aber der staatsgläubige Gutbürger mag beruhigt sein: Unsere Sykophanten werden uns diese subversiven Elemente schon ans Messer liefern.
Dass freilich durch unsere wenig geschickte Pseudo-Kriegsführung gegen eine Krankheit zahllose Existenzen über die Wupper gehen, juckt uns nicht sonderlich, dann erhöhen wir eben die Steuern oder führen neue Bepreisungen ein. Ihr könnt euch schon einmal daran gewöhnen, sehnsüchtig an euren hohen Lebensstandard in früheren Zeiten zu denken, denn wenn ihr endlich nur aufs tägliche Überleben fixiert seid, dann kommt ihr nicht auf dumme Gedanken.
Die Leugner behaupten, viele von euch hätten den Glauben an unserer unendlichen Weisheit verloren und bezweifelten den Sinn vieler unserer Maßnahmen. Wir geben dem braven Untertan unser oft gebrochenes Ehrenwort in altdeutscher Tradition, dass der Endsieg über - unseretwegen - dem Corona-Virus nahe ist. Wenn wir nun den Gutbürger fragen, ob er den totalen Krieg gegen das Virus führen und dabei fundamentale Rechte unserer Gnade überlassen möchte, dann wird er natürlich wieder ‚Ja‘ schreien, denn wir sind die ‚Gesalbten‘ aus eigenen Gnaden und treten die dumpfe Masse schon in die richtige Richtung.
So möge denn der untertänige Kleinbürger das Maul halten und brav die steigenden Steuern zahlen. Mal schauen, wann wir die Worthülse ‚Demokratie‘ durch einen geeigneteren Begriff ersetzen können.
Eine schöne Schmähschrift, nicht wahr? Warten wir einmal ab, ob die folgenlos bleibt. Mag sein, dass ich hier übertreibe, aber das ja auch Sinn der Sache, denn selbst so ein Hobby-Schreiberling wie meine Wenigkeit, sollte es wagen, aus Respekt vor der wahren Demokratie und der hier lebenden Menschen, Missstände offen anzusprechen.

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