Meine lieben Bravbürger, Haltungsjournalisten, Sykophanten und obrigkeitshörige Analkrabbler!
Es ist jetzt einige Zeit her, dass ihr die letzte Proklamation eurer greisen Führerin vernommen habt und sollt nun freudig die Ärmel hochkrempeln, um euch mit einem eilig zusammengerührten Heilmittel impfen zu lassen. Viele von freilich verzichten zunächst auf diese Ehre, da die Langzeitwirkung des Impfstoffes bisweilen unbekannt ist und ja genug Versuchskaninchen vorhanden sind. Deshalb die Parole an den treuherzigen Untertan: Freiwillige vor!
Die pandemische Krise, die wir durch die gewohnten Unterlassungen und später durch blinden Aktionismus mitverursacht haben, steht einmal wieder auf dem Höhepunkt. Wir hatten uns im Zeichen des sogenannten Krieges gegen den Virus – als wenn man gegen virale Infektionen Krieg führen könnte, solch rhetorisches Geplänkel nehmen uns sowieso nur die Weisesten ab – so gefreut, endlich einen Vorwand zu haben, euch diese lästigen Grundrechte endlich einzuschränken oder ganz klauen zu können. Naja, so ein schöner, kleiner Krieg diente der herrschenden Klasse neben der klingenden Kasse bei wachsenden Leichenbergen schon immer dazu, die niederen Untertanen so richtig zu knechten und mit diesem verschwörungstheoretischen Dissidentenpack endlich gründlich aufzuräumen. Zwar ist es nicht mehr ganz zeitgemäß, schwächere Nachbarn heimtückisch zu überfallen und mit unserer Schrottarmee könnte dies durchaus übel ausgehen, aber so ein kleiner, erfundener Pseudo-Krieg ist auch nicht übel, da kann man sich auch gut austoben und den Pöbel mit allerlei Anordnungen beglücken.
Oberste Pflicht des braven Untertanen ist nun das Zusammenrücken zu einer einigen Zwangsgesellschaft, die klaglos jeden Mist mitmacht, der uns in Ermangelung geeigneter Maßnahmen einfällt. Die Zeitgenossen aus östlicheren Gebieten dürften nun in nostalgischen Gefühlen schwelgen und an den berühmten monolithischen Block, den die Gesellschaft in totalitären Systemen mit sozialistischem Anstrich bilden sollte, denken.
Ihr seht, wir sind voll die Demokraten! Wenn ihr das für eine unverschämte Lüge oligarchischer Menschheitsbeglücker haltet, dann seid ihr keineswegs so dumm, wie wir euch halten; verratet das aber niemandem.
Es war für uns erschütternd, zu vernehmen, dass es noch immer hetzerische Leugner und Hassprediger gibt, die es tatsächlich wagen, uns zu kritisieren und ihren zersetzenden Skeptizismus wie eine mentale Krankheit im Lande ausbreiten. Aber der staatsgläubige Gutbürger mag beruhigt sein: Unsere Sykophanten werden uns diese subversiven Elemente schon ans Messer liefern.
Dass freilich durch unsere wenig geschickte Pseudo-Kriegsführung gegen eine Krankheit zahllose Existenzen über die Wupper gehen, juckt uns nicht sonderlich, dann erhöhen wir eben die Steuern oder führen neue Bepreisungen ein. Ihr könnt euch schon einmal daran gewöhnen, sehnsüchtig an euren hohen Lebensstandard in früheren Zeiten zu denken, denn wenn ihr endlich nur aufs tägliche Überleben fixiert seid, dann kommt ihr nicht auf dumme Gedanken.
Die Leugner behaupten, viele von euch hätten den Glauben an unserer unendlichen Weisheit verloren und bezweifelten den Sinn vieler unserer Maßnahmen. Wir geben dem braven Untertan unser oft gebrochenes Ehrenwort in altdeutscher Tradition, dass der Endsieg über - unseretwegen - dem Corona-Virus nahe ist. Wenn wir nun den Gutbürger fragen, ob er den totalen Krieg gegen das Virus führen und dabei fundamentale Rechte unserer Gnade überlassen möchte, dann wird er natürlich wieder ‚Ja‘ schreien, denn wir sind die ‚Gesalbten‘ aus eigenen Gnaden und treten die dumpfe Masse schon in die richtige Richtung.
So möge denn der untertänige Kleinbürger das Maul halten und brav die steigenden Steuern zahlen. Mal schauen, wann wir die Worthülse ‚Demokratie‘ durch einen geeigneteren Begriff ersetzen können.
Eine schöne Schmähschrift, nicht wahr? Warten wir einmal ab, ob die folgenlos bleibt. Mag sein, dass ich hier übertreibe, aber das ja auch Sinn der Sache, denn selbst so ein Hobby-Schreiberling wie meine Wenigkeit, sollte es wagen, aus Respekt vor der wahren Demokratie und der hier lebenden Menschen, Missstände offen anzusprechen.
Corona: Total War
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Interne Verweise
- Autorin/Autor: Qayid Aljaysh Juyub
- Prosa von Qayid Aljaysh Juyub
- Prosakategorie und Thema: Kurzgeschichten & Kurzprosa
Kommentare
Frau Krause ist kein Sykophant -
Doch bekannt als Suff-Elefant ...
LG Axel
Na, denn Prost! Offensichtlich geht es jetzt mit den Kommentaren los.
LG
JU
Ja, die Meinungsfreiheit ist im Grundgesetz garantiert, so eine Hobby-Schreiberlingin, die messerscharf formulieren kann, darf alles schreiben, sagen. Die FAST grenzenlose Freiheit der Satire. Gut so. Und es stimmt auch, dass es sich manchmal wie Krieg anfühlt, jedenfalls für solche, die nie einen erlebt haben. Die ihn erlebt haben, dazu gehöre ich, wenn auch nur als Kind, aber das hat mir genügt, ziehen diesen Vergleich eher nicht. Und es stimmt auch, dass wir die pandemische Krise mit verursacht haben, allerdings meiner Meinung nach deshalb, weil wir von unseren üblichen alltäglichen Gewohnheiten nicht lassen können. Verzicht zu üben, darin sind wir nicht mehr geübt. Aus dem Rest werde ich nicht so richtig schlau. Auf welcher Seite stehst Du? Mir fällt noch mehr ein zu dem Text, das spare ich mir, meine Zeit ist knapp bemessen.
LG Marie
Danke für die umfangreiche Kritik. Um Deine erste Frage zu beantworten: Ich stehe auf keiner Seite! Ich beobachte nur und ziehe so meine Schlüsse, die natürlich völlig subjektiv sind und legitimerweise einigen Leuten als völlig falsch erscheinen dürften.
LG+angenehmes Wochenende
JU
Yup! Ich gebe dir vollkommen recht: "aus Respekt vor der wahren Demokratie und der hier lebenden Menschen, sollte es selbst ein Hobby-Schreiberling wagen, Missstände offen anzusprechen".
Doch vermisse ich in deiner Schmähkritik genau den hier angeführten Grund für deine Schmähkritik: RESPEKT. Respekt vor Andersdenkenden, die gute Gründe haben, anders zu denken, ohne als "obrigkeitshörige Analkrabbler!" alles gutzuheißen...
Huch! Respekt? Den habe ich durchaus vor Andersdenkenden, die eine alternative Sicht der Dinge vertreten. Ich propagiere auch keine absoluten Wahrheiten, sondern stelle nur einfach meine subjektiver Wahrnehmung der gegenwärtigen Geschehnisse dar. Im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen betrachte ich Leute, die anderer Meinung sind als ich, eben nicht als 'obrigkeitshörige Analkrabbler'. Leide ist aber diese spezielle Art von Opportunisten doch recht weit verbreitet.
LG+schönes Wochenende
JU
Danke für die Rückmeldung sowie Richtigstellung. Tut mir leid für das Missverständnis. Hätte ich jedoch deine Rückmeldung nicht, wäre es für mich nicht ersichtlich, dass du in deiner Schmähkritik nur eine subjektive Reflektion der gegenwärtigen Situation wiedergibst. Auch nicht, dass du nicht die Leser dieser Website ansprichst...
Ich bezeichne mich als Demokrat, der regelrecht gelitten hat bei Beginn der Corona-Krise.
Ich musste mit dem Schreiben anfangen, weil mich diese inneren Konflikte zerrissen hätten...
Eines meiner ersten Gedichte, auf einer anderen Website unter einem anderen Pseudonym:
Wahlkampf
Der Staat hält über uns die Hand
als „Mündel“ von uns allen.
Für „mündige“ Bürger eine Schand,
wenn Rechte über Nacht zerfallen!
Wenn Angst die Menschen hat im Griff,
da schreien sie nach dem Führer.
Voreilender Gehorsam auf Trillerpfiff -
Der Nachbar, der spielt Schmierer.
Was jetzt passiert – ein Spiegel dieser Zeit?
War „Mündigkeit“ nicht einst ein Ziel?
Macht Müdigkeit sich breit?
Wird Demokratie labil?
Der Staat hält über uns die Hand
als „Mündel“ von uns allen.
Für „mündige“ Bürger eine Schand,
wenn Rechte über Nacht zerfallen!
(03.04.2020)
Nun ja, da gibt es schon auch Parallelen! Somit: Sorry.
Was dein Schreibstil betrifft: Der ist auf jeden Fall richtig gut!
Einen angenehmen Morgen wünsche ich!
Ich muss ja zugeben, dass mein Text auch leicht 'misleading' war. Ich beabsichtigte eher autoritäre und antidemokratische Strömungen, die leider unter dem Jubel vieler Leute Hochkonjunktur haben, aufs Korn zu nehmen. Ich muss allerdings auch zugeben, dass ich opportunistische Roßtäuscher aller Couleur nicht sonderlich mag und dies auch ausdrücke.
Ich finde Dein Gedicht äußerst beeindruckend und kann mich den darin geäußerten Aussagen nur anschließen.
Einen schönen Sonntag
JU
Oh je – das war keine wütende Kritik, nur eine andere Sicht - der Blickwinkel eines Menschen, der eine lange Lebenserfahrung und schon viele Krisen er- und überlebt hat. In meiner Altersklasse gibt es leider nicht so VIELE, die hier oder anderswo im Netz ihre Meinung äußern – weil sie sich das nötige Knowhow nicht angeeignet haben. Da ich ahne, wie schwierig es ist, in dieser nie da gewesenen Weltseuchensituation stets die richtigen Entscheidungen zu treffen, bin ich weit entfernt davon, die Entscheidungen der verantwortlichen Politiker mit Häme im Netz zu kommentieren. Ich möchte jetzt nicht in der Haut von Entscheidungsträgern stecken – und befolge die Regeln, die dazu dienen, noch mehr Todesfälle zu vermeiden. Und ich kritisiere deutlich den Ausdruck „obrigkeitshörige Analkrabbler“, er steht für Verachtung und Diffamierung. Das vergiftet jede Diskussion! Ich bin Demokratin durch und durch und 100% für freien Meinungsaustausch – und begrüße diese kontroverse Diskussion. Jedweder Schmäh liegt mir fern.
PS: Ich benenne das Kind auch, nur auf andere Weise. Ja - und auch dazu gehört MUT, wie mir scheint.
Danke.
Nachtrag: Bestens formuliert!
Es ist verdammt schwer, allumfassende 'richtige' Entscheidungen zu treffen! Es ist jedoch leicht, sie im Nachhinein zu kritisieren - wenn auch Teile davon mit Recht...
Als wütende Kritik habe ich den ersten Kommentar auch nicht aufgefasst. Danke für deine ausführliche Meinungsäußerung, aber hier bin ich völlig anderer Auffassung. Leute, die jede staatliche Fehlentscheidung aus eigennützigen Gründen mit Begeisterung propagieren, verachte ich tatsächlich; DIffamierungen jeglicher Art liegen mir jedoch fern. Falls sich allerdings einige Leute den Schuh anziehen sollten, dann passt er möglicherweise. Vielleicht sollte man in diesem Kontext auch bedenken, dass die sogenannten Entscheidungsträger nicht zu ihrem Job gezwungen wurden und für Fehlentscheidungen gelegentlich mit ohnmächtig harscher Kritik rechnen müssen. OOOps, ich glaube, jetzt haben wir mehr Text in den Kommentaren als im eigentlichen Korpus. Für mich solls genug sein, da man über dieses Thema mit Sicherheit noch bis zum Ende der Pandemie diskutieren kann.
PS: Sorry, wenn einem ein derartiger Text nicht gefällt, dann braucht man ihn nicht unbedingt (ganz) lesen.
Lassen wir doch gleiches Recht – so richtig demokratisch – für alle gelten! :-) Heißt: Jeder von uns Schreiberlingen, nicht nur Politiker, setzt sich freiwillig auch Kritik anderer aus. Ich selber wäre z.B. mein größter Kritiker der Gedichte meiner Anfänge und immer noch…
Idee: Machen wir doch alle gemeinsam ein Corona-Thema! Die unterschiedlichen Altersklassen gewährleisten unterschiedliche Sichtweisen – genau das, was bisher in vielen Medien so gefehlt hat…
Noch eins, und dann ist gut: Erst durch den Austausch bin ich auf deine Beiträge neugierig geworden – auch wenn ich zu Unerfreulichem beigetragen habe.
Sodann: Lesen und schreiben und kommentieren wir weiterhin!
Ich mache den Anfang mit einer lustigen Satire über die unverhältnismäßig schwachsinnige Beschränkung, im Frühjahr 2020, nicht ohne Bußgeld auf einer Parkbank sitzen zu dürfen, um unser krankgespartes Gesundheitssystem zu entlasten…
Selbstgespräche einer Parkbank
„Nun steh' ich hier rum, leer und verlassen.
Ich würde so gerne auf dich aufpassen!
Dir einen Ruheplatz an der Sonne anbieten!
Doch wird man mir das noch länger verbieten.“
„Ich leide darunter und kann's nicht verstehen,
warum jeder so schnell vorbei muss gehen.
‚Gesundheit geht vor!‘, sagt man mir immer wieder.
Warum lässt sich dann keiner auf mir nieder?“
„Hey, du, warum musst auch du vorbeieilen?
Vergaß die ‚Gesundheit‘, dich zu begleiten?
Hat sie vielleicht so viel Abstand genommen,
um sich heimlich auf einer Parkbank zu sonnen?“
„Hm, sie sah mir schon letztes Jahr notleidend aus.
Eilt sie dir deshalb so schnell voraus?
Ah! Sie muss sich schützen! Leuchtet dir sicher ein -
auch mir, als Parkbank, im strahlend‘ Sonnenschein.“
Herzlichen Gruß, und, vielleicht machen wir was draus?
Laleah