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'Ich glaube, das wäre ein Fall für Sie, Herr Schindlmeier', hot s' gsagt. 'Sie sagen, in ihrem Haushalt sind keine Kinder. Der Bärli bräuchte viel Liebe, wie alle unsere Schützlinge, aber gleichzeitig eine feste Hand. Geben Sie ihm eine Chance!'
Der dicke Mo hot mi ogschaut und hot gsagt: 'So,so, Bärli hoaßt du. I sog Bazi zu dir. Du g'herst ma scho.'
Und i hob a bisserl g'schwanzlt und hob ma denkt: 'Und du bist da Herr Wamperl für mi. So sympathisch wia du riachst, konn mit uns zwoa nix schief geh.' “
Ich rücke gleich ein paar Leckerli heraus als Belohnung für die unerwartete Fortsetzung seiner Geschichte.
„Jetz“, erinnert sich der Mane glücklich, „is fia mi a scheene Zeit kemma. De Frau Wamperl war zwar net begeistert, wia mi da Mo mitbrocht hot.
'Zu wos brauch' ma mia an Hund!?', hot s' grant'lt, aber er hot drauf g'sagt:
'Weibe, bi staad. I bi jetz in der Rente, do muass i vui spazierngeh, du gehst net mit, oiso brauch i an Waukerl, der mi begleit', gell Bazi?'
Sie hot no brummt: 'Ja freili, ins Wirtshaus'.
Oba mein Herrn hot des nix bekümmert und mia zwoa san guade Freind' woan.
Wenn mia im Woid spaziernganga san, hot er mi frei laffa lass'n und wenn er pfiffa hot, dann bin i kemma und hob a Leckerli kriagt, so oans, wia du host fia mi“, blinzelt mir der Mane zu und ich verstehe die Anspielung und greife in die Tüte, die nun merklich leerer wird.
„Wenn ma a so a Weile unterwegs warn, hot da Herr Wamperl g'sagt: 'Jetz, Bazi, moane hungert uns und a frisch's Weißbier war aa net schlecht, wos moanst du?'
Und i hob g'schwanzlt, weil i an die Wurstradl denkt hob, de mei Herr oiwe untern Tisch foin hot lassn, wenn er sich a Brotzeit kafft hot beim Wirt.“
Erinnerungsselig wackelt der Ringelschwanz und die schwarzen Knopfaugen glänzen. Ich aber schaue den Burschen nachdenklich an. Warum sitzt er neben mir vor der prommerschbergischen Haustür und nicht mit seinem Herrn Wamperl in einem Biergarten? Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten.
„Ja“, meint der Mane nach einer kleinen Weile betrübt, „so hätt 's weitergeh' derfa. Auf d' Nacht, wenn mei Herr sei Fernsehschlaferl g'macht hot, auf seine Füaß lieg'n …, a Kalbsknocherl zum Frühstück …, a feins Büchserlfleisch zum Mittag …, a Stückerl Zuckerschneck' zur
Kaffeezeit … Kuglrund bin i worn …
Aber dann“, - die Nackenhaare sträuben sich ein bisschen und ein verhaltenes Winseln entfährt dem Mane, „dann bin i amoi in der Nacht in mein Körberl g'leng, im Hausgang, do weckt mi a lauter Schroa. Die Frau Wamperl is' aus'm Schlafzimmer aussa g'rumplt und zum Telefon und dabei hot sie laut g'jammert und g'woant. I hob glei mitg'heult und g'winslt, weil i 's g'spürt und g'rocha hob, dass ebbs Furchtbar's passiert sei muass.
I war no ganz durchanand, wia 's später an der Tür klinglt hot und zwee weiße Manner einakemma san und i hob bellt wia a Wuida und glei oan bei sein weiß'n Hos'nhax'n packt. 'Nehmen Sie den Hund weg!', hot der gschrian, drauf hot mi d' Frau ins Wohnzimmer eig'sperrt.
Es hot si koana kümmert, dass i g'woant und an da Tür kratzt hob. I hob s' draussen im Gang no rumor'n her'n, dann is d'Wohnungstür zuagfoin und dann war'n s' furt. Mein Herrn Wamperl miass'n s' mitgnomma ham, denn g'sehn hob i 'n nimmer. - Und boid drauf“, erzählt der Mane traurig, „bin i wieder ins G'fängnis kemma.“
Wir schweigen beide.
Ich habe eine Mordswut auf diese Frau Schindlmeier. Warum hat sie ihn nicht behalten?
Gleichsam als Antwort auf meine stumme Frage gesteht er leise: „I hob ihr amoi einebieslt, weil s' vergess'n hot, dass ma mit mir spazierngeh' muass.“
Eigentlich möchte ich ihn jetzt gerne streicheln – lasse es aber doch lieber bleiben, lasse ihm noch ein wenig Zeit, ehe ich selber den Faden seiner Geschichte wieder aufnehme: „Dann is er kemma, der Karl, ins Tierheim und hot di mitgnumma, gell?“
„Ja, dann is er kemma, mei Chef.“
„Und do geht 's dir guat?“, forsche ich weiter.
„Ja, ja, basst scho“, kommt es einsilbig zurück.
„Woaßt du, dass dem Prommersberger seine Hund alle 'Mane' g'hoaßn ham? Du bist der Vierte.“
„So,so.“
„Und woaßt du aa, dass der Karl sagt, so oan wia di hot er no nia g'habt? Di gaab er net her, net um vui Geld, sagt er. - Weil du nämlich seine Mäus und Ratz'n fangst.“
Da funkeln die schwarzen Augen und der ganze Hund wird gleich eine Nummer größer. „Des derfst glaub'n“, knurrt er, „a Ratz kimmt mir koana aus, net oana aa! I kenn eanane Löcher, I woaß eanane Schlich. I dawisch an jed'n!“
„Aber des is do gar net so oafach“, werfe ich ein, „des san doch Mordsviecher!“
„An junga Ratz'n fanga is koa Kunst“, werde ich belehrt, „den packt a jeda Koda, aber an oid'n, a so an ausg'fuchstn Teifi, Bruada, do muasst scho a Schneid hom. Des Wichtigste is, dass d' schnell bist. Beim erstn Biss muass a hi sei, sonst beißt er di, vostehst? Packa und Obbeitln, des is oans!“
Ich freue mich über seinen wiedergewonnenen Lebensmut.
„Woaßt“, sagt er nach einer Weile, „mir geht 's scho guat. I lauf ummanand wia i mog. I schnufed do a bissl, i lur dort a weng. I fang mir a fette Schermaus, wenn 's mi danach g'lust. Mi hängt koana o und mi sperrt koana ei. I hob de Freiheit, vostehst? Es gibt nix Besser's!“
Ich lache und werfe ihm die leergewordene Leckerlitüte zu, und er packt sie und schüttelt sie, als wäre sie eine fette Ratte.
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Die Geschichte entstand im Januar 2019.