Das Lager ist in Sichtweite und es wirkt noch belebt. Meine Klamotten sind zerrissen, meine Haut aufgeschürft. Wochenlang bin ich durch die Gegend gestreunt nur um ihnen zu entgehen.
Ein Virus, einige Stunden und plötzlich brennt deine heile Welt und nichts als Asche bleibt übrig. Verwandelt Menschen in faulige Bestien, die unendlich aggressiv sind, bis sie irgendwo verenden. Es gab viele Berichte, viele Überlegungen woher der Virus kam. Ein fehlgeschlagenes Experiment? Ein Kriegsschlag?
Ich saß in der Wohnung und erholte mich gerade von der Arbeit als Maurer bei einem Spielfilm, als plötzlich eine Eilmeldung kam. Eine Infektion breitete sich aus. Nach einer Woche überall auf der Welt. Aggressive, faulende Bestien, die Menschen und Tiere gleichermaßen fraßen. Ich schloss mich ein. Wollte es aussitzen.
Doch als mir nach zwei Wochen die Lebensmittel und das verpackte Wasser ausgingen, musste ich raus. Ich weiß noch, wie ich aus der Tür ging und zum ersten Mal einen von ihnen gesehen habe. Mein dicker Nachbar hatte sich in eine Bestie verwandelt. Bevor er mich bemerkte, war ich schon verschwunden. Als ich auf der Straße war, wusste ich, dass ich niemals wieder zurück in meine Wohnung gehen könnte und versuchte mich irgendwie durchzuschlagen. Nahrung und Schlafplätze suchen. Verlassene Supermärkte, in denen ich noch vergessene Reste fand, waren mir noch am liebsten. Ab und an musste ich in Wohnungen einbrechen, um etwas Essen zu besorgen. Die ganze Zeit nur mit meinem Ziel vor Augen.
Bevor ich die Wohnung verließ, hatten sie von den Lagern erzählt. Riesige, befestigte Anlagen in denen es medizinische Versorgung gab und Sicherheit garantiert wurde. Und diese suchte ich.
Nach ein paar Tagen war ich schon so abgestumpft, dass es mir nur noch darauf ankam, zu überleben. In einer Wohnung sah ich ein infiziertes Kind, dass seine noch lebende Mutter auffraß und ich griff einfach nur ein paar Dosen und verschwand.
Das ist keine Woche her. In meinen Händen liegt nur noch eine Dose Karamell der Marke Mac 'n Jason. Heute werde ich es nicht mehr schaffen. Ich bin schwach. Ich schlage die Dose an einem Stein auf und esse den Inhalt mit meinen Händen, während ich mich nach Zombies umsehe. Es wäre doch gelacht, wenn ich ein paar hundert Meter von dem Lager entfernt, sterbe. Ab und an nicke ich kurz ein, nur ein paar Minuten. Ein winziges Geräusch, ein Windhauch und ich bin wieder wach. Als der Morgen graut, gehe ich weiter. Kurz vor dem Lager gibt es einen gekennzeichneten Weg und ein Schild, dass man diesem folgen soll, weil überall im Umkreis Tretminen liegen. Das macht Sinn - Infizierte können nicht lesen.
Obwohl ich immer in der Mitte des Weges laufe, fühle ich mich unwohl.
Mein Herz klopft etwas schneller, als ich oben auf der Mauer Schützen sehe, die auf mich zielen. Ob sie mich einfach so aufnehmen werden? Aus der Ferne und in der Hitze kann ich nicht ihre Gesichter sehen. Warten sie auf den richtigen Moment oder entspannen sie sich gerade? Sie nehmen die Waffen herunter. Am Ende des Pfades ist ein Tor, welches geöffnet wird. Mehrere Männer und Frauen mit Gewehren sehen mir entgegen.
„Bist du krank? Hat dich einer gebissen?“, fragt einer und ich schüttle den Kopf. Dann lassen sie mich hineinkommen. Zuerst werde ich über eine Art Straße geführt. Nun sind es nur noch zwei Soldaten, eine Frau und ein Mann, die an meiner Seite sind. Links und rechts aus Schrott gezimmerte Baracken. Sonst gibt es insgesamt drei Container. Einen großen und zwei kleinere. Der Große ist unser Ziel. Die gläsernen Türen des Gebäudes öffnen sich und sie bringen mich durch einen langen Gang in ein Zimmer.
Es ist lediglich mit einem Tisch und zwei Stühlen möbliert. Es gibt einen Teil in der Wand, der aus dunklem Glas besteht – ich weiß, dass es Spiegelglas ist und mich jemand wahrscheinlich durch dieses beobachtet. „Setz dich da hin“, sagt die Soldatin und zeigt auf einen der Stühle. Ich gehorche. Die Soldaten verlassen das Zimmer. Keine zwei Minuten später öffnet sich die Tür, durch die ich hineingekommen bin, und eine Ärztin kommt herein. „Ich bin Doktor Kammlitt. Ich muss schauen, ob du infiziert bist.“ „Wie funktioniert das?“ „Ich nehme ein wenig Blut von dir und mische es mit einem Pulver. Die Farbe entscheidet darüber, ob du infiziert bist.“ Sie zieht eine Spritze aus ihrem Mantel, sucht kurz nach einer Vene und nimmt mir dann ein paar Milliliter Blut ab. Ich sehe wie sich die Spritze langsam füllt. Dann holt die Ärztin aus ihrer Manteltasche ein Reagenzglas und spritzt das Blut dort hinein. Sie geht ein paar Schritte zurück und holt ein kleines Tütchen mit blauem Pulver aus ihrer Manteltasche. „Wie lange wird das in etwa dauern?“ „Nicht lang. Bleib bitte sitzen.“ Sie scheint etwas nervös zu sein, als sie das Pulver hineinfüllt. Sie schüttelt das Blut mit dem Pulver und es färbt sich nach kurzer Zeit Lila. „In Ordnung.“
Sie zieht plötzlich unter ihrem Mantel eine Pistole hervor und feuert einen Schuss auf mich ab. Sie streift mich und schreie vor Schmerzen auf. Dann noch einer. Ich springe von dem Stuhl und rolle mich ungelenk ab, rappele mich wieder auf und stolpere auf sie zu. Ein weiterer Schuss streift mich, aber trotzdem erreiche ich die Ärztin. Ich ziehe ihr die Beine weg und ihr fällt die Waffe aus der Hand, die ich direkt greife und ihr keinen halben Gedanken später an den Kopf presse. „Warum?“ „Weil du sterben musst.“ „Ich bin infiziert?“ Sie schüttelt den Kopf. „Nein, aber wir haben nichts zu Essen.“ Ich erstarre. Sie sind hier nicht besser, als die Infizierten dort draußen. „Bitte, bitte töte mich nicht, ich...“ Schuss.
Ich warte darauf, dass Leute hereinstürmen und mich umbringen, aber eine ganze Zeit kommt niemand.
Keine Aufschreie, keine Sirenen. Nichts.
Irgendwann öffnet sich die Tür doch und ein Mann kommt herein – unbewaffnet. Ich ziele auf ihn. „Aber, aber. Nimm die Waffe runter. Ich bring dich schon nicht um.“ Ich verstehe nicht, aber senke die Waffe. „Warum?“ „Es ist doch egal, wer stirbt. Und sie war eh dicker als du.“