Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 129

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von Alf Glocker

129. Schritt

Manche machen sich Gedanken über die Rekordleistungen aller Art, über die Rekordleistungen der Sinne z.B., über die Rekordleistungen der Dinge, der Muskeln, der Köpfe, der Stimmen, über die Rekordleistungen in der Tierwelt, usw., aber wer macht sich schon welche (Gedanken nämlich) über die Rekordleistungen der Hormone?

Hier gemeint sind natürlich die der Geschlechtshormone, was sonst?! Sie zu be-denken ist immer einen Ausflug wert! Denn sie sind einfach umwerfend! Männer sollten hierbei an den Anblick einer besonders schönen Frau, und Frauen an ein Gespräch mit einem besonders geschickten, sprich „beeindruckenden“ Mann denken.

Selbstverständlich läuft in solchen, wie auch in viel gewöhnlicheren Fällen alles „ganz normal“ ab: die beiden hormonverseuchten Körper reagieren, wie sie reagieren müssen/sollen…

Daneben gibt es aber auch noch eben diese ganz besonderen Fälle von starken, sehr starken, und von extrem starken Hormonschüben, die schon fast nicht mehr nötig sind, um das Nötige in Gang zu bringen, respektive in Schwung zu halten…

Das Nötige, was ist das? Aus der Sicht eines wahnsinnig Nichtwahnsinnigen ist das zum Beispiel die stets vorhandene Unzufriedenheit der Frau und der stetige Drang des Mannes sie scheinhalber zu befriedigen!

Doch es gibt Tage, da funktioniert dies alles nicht mehr in einem sinnvollen Rahmen. Dann stöhnt die Frau den ganzen Tag vor sich hin, aber nicht weil sie sich wohl fühlt, sondern weil ihr alles zuwider läuft: die Wohnungseinrichtung ist nicht passend, nicht „einheitlich“ genug (was andeuten soll, daß es die Partner zueinander auch nicht sind, was andeuten soll, daß wenn Mann sich nicht anstrengt, frau sich was anderes sucht).

Dann ist es gut für die Frau, so sie über das Glück eines Gartens verfügt, sich dort endlich mal wieder richtig auszuarbeiten. Ein Garten ist ein Gleichnis für die Welt! In diesem speziellen Fall bedeutet das: „alles muss raus!“ Was gerade eben noch nicht einmal ganz verblüht ist, hat seine Schuldigkeit getan! Es wird gerupft! Nein, es wird mit Stumpf und Stiel ausgerissen, denn es hat sicher schon seinen dreimal vermaledeiten Samen ausgestreut und kommt nächstes Jahr garantiert wieder. Sonst wuchert das Zeug immer so schlimm! Da fühlt man sich eingeengt!

Denjenigen im Haus, der seinen Samen ebenfalls schon, vermutlich, weiß Gott wo ausgestreut hat, kann man ja nicht so einfach ausrupfen, obwohl der auch immer wieder kommt. Aber zeigen kann man‘s ihm ordentlich – sofern er im gleichen Garten arbeitet und beispielsweise dort etwas liebevoll angepflanzt hat, dann muss das natürlich zuerst raus, wenn er selbst schon keine göttliche Ordnung halten will.

Der Mann stöhnt inzwischen weil er seit Tagen keinen Sex mehr gehabt hat. Eine Neue ist nicht in Sicht und die Alte ist schlecht gelaunt, weil er mal wieder ihr gegenüber nicht aufmerksam genug war. Nun muss er aufpassen, daß sie keine allzu großen Schäden anrichtet, nicht am Hausrat z.B., wo Teller zu Bruch gehen könnten, nicht am gemeinsamen Automobil, wo frau versuchen könnte, einen Gang ohne Kupplungtreten reinzudrücken, oder auch im Garten, wo er nicht gerne nur die schwarze Erde erblickt, weil die viel ordentlicher aussieht als wild vor sich hin wachsende Pflanzen, seien sie auch noch so edel.

Nun ist er aber zu blöde geworden, die außer sich geratende Partnerin mit demonstrativer Zuneigung zu beschwichtigen. Kann er ihr denn nicht die Chance geben, ihn standesgemäß abblitzen zu lassen, damit sie sich wieder einmal ihres hohen Stellenwertes in der Familie und sonstwo bewusst werden könnte? Wozu hat der Liebe Gott schließlich dieses Teufelszeug „Hormone“ in die Leiber gestreut, wenn nicht um damit herrliche Machtspiele zu entfachen?!

Nein, der männliche Part ist jetzt viel lieber ein Riesen-Ekel, das es vorzieht auf den Gefühlen des einst so beknieten Objekts seiner Begierde herum zu trampeln, anstatt zu sagen was jede gerne hören möchte: „Ich liebe dich, auch wenn du unausstehlich bist!“ Das hat er doch früher auch immer getan! Und was tut er jetzt? Er schaut sich nach etwas um, das leicht zu haben, schnell zu nehmen ist, und was genauso schnell wieder vergessen werden kann. Männer sind eben Schweine! Frauen sind anspruchsvoll…

Woher kommt das? Es kommt aus der Urzeit, wo dieses Ritual durchaus einen Sinn hatte. Eine völlig zufriedene Frau konnte die Familie nicht weiter bringen. Wo es kaum etwas gibt, muss ein dauernder Ansporn vorhanden sein. Und ein Mann, der nicht nach der Erweiterung sämtlicher Horizonte, ich betone „sämtlicher“ Horizonte strebt, wird vergleichsweise vertrotteln. Macht macht attraktiv – und was attraktiv ist, das ist fruchtbar und mehret sich.

Heutzutage, wo es nahezu alles gibt, sind manche Verhaltensweisen jedoch genauso seltsam oder überflüssig geworden, wie beispielweise der Geiz, der ja nichts weiter als eine übertriebene Vorratshaltung ist. Was sich die Geschlechter somit, um der Aufrechterhaltung archaischer Rituale wegen, antun, ist nicht nur Misshandlung im höchsten Grad und grenzt manchmal sogar an eine unbewusste, oder sogar weniger unbewusste Verletzung der Menschenrechte – es ist auch im höchsten Maße dekadent, weil dadurch die Geburtenrate deutlich sinkt. Wo es wichtig ist sich zu genügen, tritt deutlich zutage, daß man es gar nicht kann, nicht können darf!

Einige moderne Staaten haben dies bereits erkannt und handeln zeitgemäß folgerichtig. Aufgrund ihres anhaltenden Geburtenrückgangs haben sie sich zu einer primitiven List entschlossen, die von der, mit Haarspaltereien beschäftigten Bevölkerung nicht wahrgenommen wird: sie bitten möglichst urtümlich eingestellte Brachialvertreter und Vertreterinnen aus fernen Bereichen der Erde herbei, die noch über ausreichend intakte Veranlagungen zum bloßen Überleben verfügen.

Die Männer sind da beispielsweise so imposant, daß die einheimischen Frauen, angesichts ihrer männlich-hormonellen Entschlossenheit geradezu dahin schmelzen. Wobei die einheimischen Männer von der zumindest noch ein Weilchen nach der Einbürgerung vorherrschenden Bescheidenheit der anderen Frauen, die man sogar vergleichsweise als „Bedürfnislosigkeit“ bezeichnen könnte, begeistert sind. Hinzu kommt der weitverbreitete, helige Irrglaube der Urfrauen, dem Mann jederzeit sexuell zur Verfügung stehen zu müssen.

Dieser neu hinzugekommene Hormoncocktail erhöht, durch Befreiung aus der dekadenten Gewohnheit zivilisierten Wohlstandes, die Geburtenrate, versetzt Unternehmer wieder in die Gunst, Großfamilien elegant manipulieren zu können und schafft so die Möglichkeit für alle, noch eine Zukunft erleben zu dürfen, in der Rekordleistungen der Hormone, wenigstens vorläufig nicht mehr wirtschaftlich negativ zu Buche schlagen…

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