Der beginnende Wahnsinn in 365 Schritten / 270. Schritt

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von Alf Glocker

Als ich heute Morgen zu mir kam, wusste ich noch nicht, daß sich etwas verändert hatte. Ich erledigte meine Geschäfte wie sonst, bekam, nach dem Rasieren, wie sonst, Appetit auf’s Frühstück, aber darüber hinaus bemerkte ich noch nichts – außer diesem leisen Rauschen vielleicht, das wie eine große, ferne Verkehrsader klang.

Da befand sich anscheinend etwas in Bewegung. Doch, da auch ich mich in Bewegung befand, um, wie sonst, meiner täglichen Beschäftigung nachzugehen, maß ich dem Geräusch keine Bedeutung bei. Da zog mich eine seltsame Ahnung plötzlich in den Garten. Das war nicht wie sonst, denn ich war nur mit einem Morgenmantel bekleidet und wollte eigentlich den Nachbarn keinen falsch bekleideten Anblick bieten.

Draußen fiel es mir zum ersten Mal auf. Ein fremdes Auto stand in der Hofeinfahrt! Auch der Weg ums Haus herum erschein mir auf einmal sehr fremd – aber nur einen Augenblick lang, dann erkannte ich meinen Irrtum. Das Auto war meines, in dem fremden Haus wohnte ich anscheinend selbst und der Weg drum herum war der, den ich schon tausendmal gegangen war. Nur heute, war mir das alles nicht mehr vertraut.

Ich staunte, bemerkte aber, ganz nebenbei, daß ich über mich selbst staunte. Da ging ich einen Weg – den meinen – und kapierte einfach nicht was vor sich ging. Da war ein Ort, der auf mich wirkte wie ein Urlaubsort. War ich gerade erst angekommen? Mein Körper hauste hier offensichtlich schon längere Zeit, doch meine Seele schien sich nicht auszukennen.

Wer war ich denn nun? War ich aufgespalten in Fleisch und Geist, in bei mir völlig gegensätzliche Komponenten? Hatte ich gestern zu viel getrunken – ich erinnerte mich nicht! Oder ging da irgendwer irgendwelche Wege, um irgendwelche Häuser, durch irgendwelche Gärten, und fühlte sich wie irgendwo, nur nicht zuhause, bei seinen vertrauten Dingen? Wen konnte ich fragen wo ich war?

Sicher, wenn ich nach-dachte, dann würden mir die Nachbarn, diese Schemen aus einer anderen Zeit, bekannt vorkommen, wenn ich ihnen begegnete. Sie würden mich mit einem Namen ansprechen, der mir bekannt vorkäme, mit „meinem“. Aber war das die Realität? Oder verbarg sich hinter dieser Kulisse der Erscheinungen, die mir jetzt so fremd vorkamen, etwas ganz anderes? Eine Lüge, ein Alptraum?

War ich überhaupt wach, oder träumte ich diesen morgendlichen Ausflug in den Garten, um das Haus nur? Ich hörte wieder dieses Rauschen, als vernähme ich eine große, ferne Verkehrsader, dann beschlich mich die Furcht! Welchen Umständen sah ich mich denn da ausgeliefert? Solange ich mir diese Frage nicht beantworten konnte, beschloss ich zu tun was „zu tun war“: ich lebte mich – diesen Fremden, den ich mir nicht erklären konnte.

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