169. Schritt
Was uns beschleicht ist seltsam groß, so unabwendbar und doch Fantasiegestalt! Es lauert an Ecken, in Schluchten, in der Luft, im Micro- und Macro-Bereich. Es ist mit einer weiteren Fantasiegestalt verbündet, die „Teufel“ heißt und ebensolchen Schrecken verbreitet wie sie. Man nimmt an, daß sie immer zusammen auftreten, denn man hält sich selbst für unverzichtbar – was aus der eigenen Sicht heraus stimmt.
Und es stimmt auch, daß die erste Fantasiegestalt von der wir hier sprechen, ein Abgrund aus Hinterhältigkeit und Gottesbeschlüssen ist, ein solches Unding, daß man es am besten abschaffen sollte, wenn man nur könnte. Aber man kann nicht, denn in unseren Köpfen haust die zweite Fantasiegestalt mit unvorstellbarer Grausamkeit.
Diese Grausamkeit geht von unseren Seelen aus, die, düster wie sternlose Nächte ihr Unwesen treiben, sich aber gut nennen wohin sie auch schweben. Und sie schweben niemals ins Licht!
Wir stützen und verbreiten das Böse, das Abgründige, das uns beschleicht, weil wir es brauchen um uns zu läutern, in abertausend fehlgeschlagenen Versuchen. Fehlgeschlagen im Sinne von „Was-daraus-gelernt-haben“, gelungen im Sinne von „Unheil-und-Not-verbreiten“, denn wir sind Kinder der Macht. Sie hat uns geboren, aus einer Sucht heraus, der niemand zu widerstehen wagt, weil sie zunächst so aussieht, als brächte sie Glück und Verstehen.
Aber sie wurzelt im Schmerz des Gebärens, das wiederum das nach sich zieht, was uns überall heimtückisch beschleicht. Und so ist es letztlich auch heilsam, denn blieben wir ewig zugange, jeder für sich auf der Welt, dann wäre die Schwärze des Himmels unerträglich und das Entsetzen größer als Gott, der immer aufs Neue versucht uns aufzuhalten. Es ist ein immerwährender Wandel der Pein, die uns Paradiese der Hirnlosigkeit schafft.
Und dazwischen feuert der Zufall, verbündet mit sämtlichen Fantasiegestalten des Universums und der Traumwelt, samt ihren Pfaden, die Verstrickungen an, in denen wir uns befinden, des reinen Glücks wegen. Ungeheure Lawinen der Lust überschwemmen mit der Gefährlichkeit von Urknallen alle Planquadrate der Vernunft. Doch ihre Stimmen hören sich wie die der Sirenen an. Sie erscheinen so süß und sie haben doch den Untergang im Gepäck!
Denn nichts ist so weit verzweigt wie das was uns beschleicht. Überall wo das Leben ist, da ist es auch. Aber es lächelt nicht und wenn, dann ist es der Hohn, der aus seinen Augenhöhlen springt. Es grinst uns lippenlos an, bevor es uns verschlingt, es verkrümmt sogar Spinnenbeine wie zum Gebet, es triumphiert aus den Siegesfeiern heraus, steckt im Lorbeerkranz und macht uns solange wir uns lebendig fühlen mit seinem „memento mori“ klar wer wir sind. Es regiert die Welt und es ist – der Tod! Der Wahnsinn geht ihm wegbereitend voraus!!