Die Intelligenz hinterlässt seltsame Abdrücke im Matsch der Zeit. Einer ihrer kuriosesten ist ihr Suizidversuch durch die Instandsetzung längst überwundener Strukturen ...
Es ist ja nicht zu glauben, so möchte man meinen, aber, bei genauem Hinsehen, zeigt sich die Höherentwicklung eines Wesens offenbar als eine Art Krankengeschichte, deren Verlauf tödlich sein kann. Abgesehen davon, daß sowieso jedes Wesen, jedes Volk, jede Kultur einmal im Grab der Vergangenheit endet, ist es doch bemerkenswert, daß die primitiveren Varianten anscheinend die Fähigkeit zum penetranten Überdauern besitzen. Anders formuliert: Sie haben Krallen am Arsch!
Mehr oder weniger hirnlose, wenig innovativ veranlagte Spezies treiben sich – wie wir wüssten, wenn wir uns darum kümmerten – am längsten auf der Erde herum. Nichts wissen, nichts erfinden, über nichts nachdenken, das sind DIE Garanten für das beinahe ewige Leben. Die jedoch anfällig sind für Ideen, sowie tiefere Gefühle, sehen sich ausgesetzt den Wogen körperlicher und geistiger Mainstream-Gezeiten, die das Standhalten sensibler Kreaturen nicht zu dulden scheinen.
Sobald wir uns näher mit diesem Thema befassen, fällt uns auf, daß nur im Tierreich der Sieger zumindest das absehbare Überleben gepachtet hat. Anders beim Homo sapiens. Der verträgt das Siegen nicht! Er wird sofort übermütig, unvorsichtig, eingebildet, ja sogar schwachsinnig! Bei ihm zeichnet sich ein Prozess ab, den man nur als pathologisch bezeichnen kann, sobald er irgendwo gesiegt hat. Dann liegt er (denk)faul in der Gegend herum, wobei es ihm gefällt, alles zu bagatellisieren!
Raubtiere sind plötzlich Schoßhündchen, die keinem etwas zuleide tun können, wie Wölfchen, Bärchen, Tigerchen, usw. Alle werden zu Comicfiguren, inklusive der Mensch selbst – außer den früheren, den besiegten Feinden vielleicht, vor denen er plötzlich die größte Achtung hat. Neandertaler stilisiert er zu respektablen Geistesgrößen hoch, die mindestens so klug sind wie er selbst, wenn nicht gar ... und auch noch näher mit ihm verwandte Lebensformen genießen sein aufrichtiges Mitgefühl. Er scheut sich davor, sie zu verunglimpfen. Schließlich hat er ihnen schon genug Leid angetan.
Selbstverständlich kann nicht jeder Otto Normal Homo sapiens genauestens Bescheid darüber wissen, warum seine Vorfahren sich wehren mussten und mit welchen Mühen es ihnen schließlich gelang, sich von einer bedrohten Art zur vorherrschenden Klasse emporzukämpfen und zu –arbeiten. Er kann sich auch nicht unbedingt selber daran erinnern, daß dies nur mit knapper Not gelang, ansonsten gäbe es ihn, den zivilisierten Homo sapiens gar nicht, aber muss er deshalb sich selbst, den einstigen Sieger, gleich verteufeln?
In der „guten Gesellschaft“ heute tonangebender Schichten, ist es richtiggehend Mode geworden, streunende Geschöpfe bei sich aufzunehmen, die doch nichts weiter verbrochen haben, als eben nur nicht so zu sein, wie die etablierten Menschenwesen sind: tolerant, freidenkerisch, innovativ und naiv! In ihnen erblickt der ehemals stark von ihnen bedrängte und bedrohte Mensch lächerlicherweise seine Zukunft – nicht die Vergangenheit! Aber warum? Sind wir alle geisteskrank geworden? Wissen wir nicht mehr, wie das aussieht, wenn eine Gefahr auf uns zukommt? Oder sind wir einfach zu dekadent, zu sehr in vertrottelte Lebensrhythmen eingefahren, daß wir alles was im Leben wichtig ist, übersehen?
Sagen wir einfach einmal unvoreingenommen: „Ja!“ Denn wenn wir das nicht tun, dann müssen wir uns eingestehen, daß Zivilisation, der Prozess der Zivilisierung nicht hauptsächlich dekadent macht, sondern, vor allem anderen, rücksichtslose Verbrecher protegiert, die an alles Mögliche und Unmögliche denken, nur nicht an unser Wohl!