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ich einen Stich gemacht hatte, übersah ich es jedesmal und fing wieder an auszuspielen, so daß ich eine Partie um die andere verloren haben würde, wäre es meiner Partnerin nicht genau ebenso gegangen. So war es ganz natürlich, daß keines von uns beiden hinauskam, das fiel uns aber nicht im mindesten auf, wir wußten nur, daß wir glücklich waren, und weiter wollten wir auch nichts wissen und hatten nur den Wunsch, in diesem Gefühl nicht gestört zu sein.
Ich erklärte ihr sogar – wirklich in allem Ernste – ich erklärte ihr, daß ich sie liebe, und sie – nun, sie wurde wohl rot bis unter die Haare, hatte aber nichts dagegen – und sagte dies auch. O, es war der schönste Abend meines Lebens. Jedesmal, so oft ich ansagte, oder meine Trümpfe zählte, fügte ich als Postskript bei: »Gott, wie reizend Sie sind!« oder etwas ähnliches, wofür sie mir dann bei denselben Gelegenheiten ihrerseits Empfangsbestätigung erteilte, indem sie zum Schluß anhängte: »Finden Sie das wirklich?« Und dabei ließ sie einen so süßen, schelmischen Blick unter ihren langen Wimpern hervor auf mich blitzen. O, es war wirklich zu – herrlich!
Ich benahm mich übrigens vollständig offen und ehrlich dem Mädchen gegenüber. Ich sagte ihr, daß ich nichts auf der Welt im Besitz habe, als eben die eine Millionennote, von der sie schon so viel gehört habe und daß selbst diese nicht mein Eigentum sei. Dies erregte ihre Neugier, und daraufhin erzählte ich ihr halblaut die ganze Geschichte frisch von der Leber weg. Sie wollte sich darüber fast totlachen. Was sie dabei in aller Welt so lächerlich fand, war mir ein Rätsel, aber so war es nun einmal. Jede halbe Minute erregte irgendein Umstand ihre Lachlust aufs neue, so daß ich ihr wieder anderthalb Minuten Zeit zum Atemschöpfen lassen mußte. Sie lachte sich buchstäblich lahm; noch nie war mir so etwas vorgekommen. Daß eine traurige Geschichte – eine Geschichte, die von nichts anderem handelt als von den Leiden, Kümmernissen und Sorgen eines Menschen – eine solche Wirkung hervorbrachte, war doch unerhört. Und doch hatte ich sie nur um so lieber dafür, daß sie so heiter zu sein wußte, wo eigentlich gar kein Grund zur Heiterkeit vorlag; sah es doch ganz danach aus, als konnte ich eine derartige Frau demnächst recht notwendig brauchen. Ich eröffnete ihr natürlich, daß wir wohl ein paar Jahre werden warten müssen, bis ich in Genuß meines Gehaltes käme; hieraus machte sie sich aber nichts und ermahnte mich nur zur größten Sparsamkeit, damit nicht auch noch mein dritter Jahresgehalt angegriffen werden müsse. Dann wurde sie auf einmal besorgt und meinte, ob wir mit unseren Vermutungen über den Betrag meines ersten Jahresgehalts nicht doch am Ende die Rechnung ohne den Wirt machen.
Diese nur zu wohl begründete Bemerkung brachte zwar mein Vertrauen in die Zukunft einigermaßen ins Wanken, dafür gab mir dieselbe aber auch einen guten, praktischen Gedanken ein, den ich sofort frischweg aussprach: »Portia, mein Schatz, würde es dir etwas ausmachen, mich zu den alten Herren zu begleiten, wenn ich mich ihnen wieder vorstellen muß?«
Sie erschrak ein wenig, sagte aber: »N–un, wenn meine Begleitung dazu beitragen kann, dir Mut zu machen. Aber ist es denn auch ganz passend, was meinst du?«
»Das wohl schwerlich, oder eigentlich sicherlich nicht; aber sieh, es hängt so unendlich viel davon ab, daß –«
»Dann gehe ich unter allen Umständen mit, ob passend oder nicht!« erwiderte sie mit edler Begeisterung, die ihr herrlich stand. »O, der Gedanke macht mich so glücklich, etwas für dich tun zu können.«
»Etwas, mein Herz? Alles tust du ganz allein. Du bist so schön, so lieblich, so bezaubernd, daß, wenn ich dich zur Seite habe, die guten alten Herren uns ohne Widerrede jeden beliebigen Gehalt bewilligen müssen, und sollten sie darüber zu Bettlern werden.«
Ha, nun mußte man sehen, wie ihr das Blut voll in die Wangen strömte und ihre Augen in Glück erstrahlten!
»Du böser Schmeichler! Das ist ja alles nicht wahr, was du da sagst, aber mit gehe ich doch. Vielleicht wird es dir bei der Gelegenheit klar, daß andere Leute mich mit anderen Augen betrachten als du.«
Hegte ich nun noch Zweifel? War mein Vertrauen noch erschüttert? Es wird wohl genügen, wenn ich sage, daß ich bei mir selbst in aller Stille meinen Gehalt unverzüglich auf zwölfhundert Pfund im Jahr erhöhte. Ich sagte ihr aber davon nichts; das sparte ich mir zu einer Überraschung für später auf.
Auf dem ganzen Weg nach meiner Wohnung schwebte ich in höheren Regionen und hörte kein Wort von allem, was Hastings an mich hinsprach. Erst als wir daheim anlangten und Hastings beim Eintritt in meinen Salon sich in begeisterten Lobsprüchen auf meine reiche und bequeme Einrichtung erging, kam ich wieder zu mir.
»Jetzt laß mich nur einen Augenblick hier stehen bleiben,« rief er, »damit ich mich satt sehen kann! Guter Gott, das ist ja ein Palast, der reinste Palast! Und da fehlt nichts, was sich nur erdenken läßt, bis zum behaglichen Kaminfeuer und bereitstehenden Abendbrot. Henry, hier kommt man nicht nur zum Bewußtsein, wie reich du bist, nein, hier fühle ich auch im tiefsten Innern, wie arm ich bin, wie arm und wie elend, wie geschlagen, gebrochen, vernichtet!«
Hol's der Henker! Seine Worte wirkten auf mich wie ein kaltes Sturzbad. Mit einem Schlage war ich völlig ernüchtert und zu dem Bewußtsein erwacht, daß ich auf einem Vulkan stehe, der jeden Augenblick bersten konnte. Ich hatte ja nicht gewußt, oder hatte mir vielmehr kurze Zeit selbst nicht eingestehen wollen, daß alles nur ein Traum sei; aber jetzt, – guter Himmel! Tief in Schulden, ohne einen Heller Geld, eines holden Mädchens Lebensglück an mein Schicksal geknüpft und dabei nichts vor mir als die Aussicht auf einen Gehalt, die sich vielleicht – ach nein, gewiß – nie verwirklichen sollte. O, ich bin verloren, rettungslos verloren!
»Henry, was bei deinem Einkommen jeden Tag nur so nebenbei abfällt, würde –«
»Ach, mein tägliches Einkommen! Da steht ein heißer Punsch, damit vertreibe dir die trüben Gedanken. Prosit! Oder nein, warte, du bist hungrig; komm, setze dich und –«
»Nein, keinen Bissen; ich bringe nichts mehr hinunter; ich kann schon ein Paar