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Oh wertes Publikum, lauschet nun der wundersamen Geschichte von Sindbads letzter Irrfahrt, die ihn in mancherlei Fährnis brachte. Es begab sich also im weit entfernten Land Absurdistan im Jahre 1440 der Hedschra oder Anno Domini 2018, dass ein missliches Geschick den unweitgereisten Reiseverkehrskaufmann Sindbad Albahhar widerfuhr (…)
‚Nun ruf doch endlich beim Doktor an!‘
Schahrasad blickte ihren Gemahl mit besorgter Missbilligung an, der wiederum hatte nach endlosen Versuchen eine halbwegs bequeme Position auf seinem geliebten Sofa gefunden, die ihm nicht ganz so arge Schmerzen verursachte.
‚Sindbad, alte Couch-Grumbeere, Du kannst hier nicht den ganzen Tag faul herumliegen und mich mit Deinem Gejammer nerven! Jetzt lass endlich Deiner gebrochenen Fuß behandeln, damit Du morgen wieder schaffen gehen kannst, Kruzifix! Auch hätte ich doch nur den Schahriyâr geheiratet!‘
Leicht genervt durch das nun seit Stunden andauernde, liebevolle Drängen seiner besseren Hälfte, deren Allüren sich durchaus mit der ‚verständnisvollen‘ Partnerin eines sehr bekannten, antiken Philosophen aus dem alten Athen vergleichen ließen, wagte der eher sanftmütige Ehemann doch tatsächlich einen untypischen Einwand.
‚Der mit seinen vielen Weibergeschichten und vergiss nicht, wie schnell der mit seinen Frauen Schluss gemacht hatte!‘
‚Ach papperlapapp, dem hätte ich schon Geschichten erzählt. Was musste ich mir auch so einen femininen Mann nehmen! Hopp, hier hast Du das Telefon, Du rufst jetzt Dr. Onymous an! Den habe ich extra für Dich herausgesucht, weil der Name so geheimnisvoll klingt und der ist in der Metzgergasse; die zwei Kilometer kannst Du bequem dahin humpeln. Obwohl Du es nicht verdienst, habe ich die in stundenlanger Arbeit für Dich gespeichert. Also los jetzt!‘
Mit einem resigniert fatalistischen Stöhnen ergriff der lädierte Reiseverkehrskaufmann das ihm dargereichte Kommunikationsmittel, da die Empirie bisher reichlich belegte, wie zwecklos seine wenigen Widerstandsversuche gegen die liebevolle Dominanz seiner Gemahlin waren; wie schon die alte Volksweisheit sagt: Bad tempered wife - shitty life.
‚Praxis Dr. A.N. Onymous, guten Tag! Was wollen Sie denn?‘
Erleichtert seufzte der potentielle Patient innerlich auf, während der letzten Stunde in endlosen Warteschleifen wuchs die Ungeduld seiner Frau exponentiell, orchestriert von passenden Unmutsäußerungen.
‚Guten Tag, mein Name ist Sindbad Albahhar. Ich rufe hier privat an …‘
Die leicht mürrisch klingende Stimme der Sprechstundenhilfe, verwandelte sich wie durch eine wundersame Fügung in die schleimige Freundlichkeit eines Gebrauchtwagenhändlers.
‚Herr Albahhar, wie schön Sie zu hören, was kann ich denn für Sie tun?‘
‚Sehr freundlich. Also ich habe mir gestern meinen Fuß gebrochen, weil meine Frau mich versehentlich mit der Leiter umwarf, als ich gerade eine Glühbirne wechseln wollte. Ich war gestern noch in der Notaufnahme, wurde nach 3 Stunden geröntgt und dann nach 2 Stunden mit einem orthpädischen Strumpf als provisorischen Stützverband heimgeschickt. Frau Dr. de la Merde gab mir eine Überweisung und meinte ich möge doch für mein Malheurchen gelegentlich einen Arzt aufsuchen.‘
‚Sie armer Kerl! Machen Sie sich aber keine Sorgen, wir haben hier in der Praxis ganz ausgezeichnete, orthopädische Produkte zu uns angemessenen Preisen. Wollen Sie nicht gleich vorbeikommen?‘
‚Vielen, herzlichen Dank, ich mache mich dann sofort auf die Socken …‘
‚Eine kleine Formalität wäre da noch. Darf ich fragen, lieber Herr Albahhar, bei welcher Krankenkasse Sie genau sind?‘
‚Bei der AKK!‘
‚Wie jetzt, bei der ‚Allgemeinen Kleinbürgerkasse? Sind Sie da freiwillig versichert?‘
Die Tonlage der vor falscher Höflichkeit triefenden Sprechstundenhilfe zeigte Anzeichen leichter Verwirrung.
‚Nein, gesetzlich.‘
‚WAS! Also das ist ja die Höhe! Sie haben doch gesagt, Sie wären privat versichert, Sie Strolch!‘
Der erfahrene Seefahrer unendlicher Ozeane familiärer Untiefen, wohl erprobt durch die orkanartigen und tückischen Ausbrüche einer launischen Ehefrau, beschloss, seinen in manchem Unwetter bewährten Kurs einzuschlagen.
‚Entschuldigen Sie vielmals, mein Fehler. Ich habe nur gemeint, dass ich Sie privat, von daheim aus anrufe und nicht von meiner Arbeitsstelle. Vergeben Sie mir!‘
‚Ihre drittklassigen, fadenscheinigen Entschuldigungen können Sie sich sparen! Typisch für solche Leute!‘
Der drittrangige Kassenpatient hatte schon manch übleren Sturm überstanden und umschiffte geschickt auch diese Monsterwoge.
‚Verzeihe Sie mir, ich bin ein solcher Idiot! Vergeben Sie mir meine Dummheit.‘
Derweil folgte das liebende Eheweib den wohlbekannten Manövern ihres abgehärteten Helden der Pantoffel und grinste dazu mit mürrischer Süffisanz. Die gar freundliche Sprechstundenhilfe hingegen verfiel bei derartiger Seemannskunst in eine übelgelaunte Flaute.
‚Na gut, Sie Intelligenzbestie, dann will ich nicht so sein. Die Welt ist eben voller Idioten!‘
Glücklich, diese tückische See überstanden zu haben, versuchte der Herr der sieben Meere den ursprünglichen Kurs einzuschlagen.
‚Vielen, vielen Dank, oh barmherzige Mutter der Vergebung! Dann bin in spätestens einer Viertelstunde bei Ihnen (…)‘
Aber, verehrte Lauschende unserer abenteuerlichen Geschichte, ist das Schicksal manchmal unausweichlich ungnädig. So lief trotz des Sindbads hoher Steuermannskunst das Schiff ärztlicher Betreuung dennoch auf Grund.
‚Einen Augenblick, nicht so voreilig! Ich sehe gerade, dass wir heute leider keinen Termin mehr frei haben; wie schade!‘
Der schlecht verborgene Hohn in der Stimme seiner Gesprächspartnerin konnte den erfahrenen Bären hochemotionaler See nicht beirren.
‚Oh Verzeihung, ich habe mich so gefreut, Ihre renommierte Praxis heute besuchen zu können! Darf ich demütig fragen, wann ich dann zu Ihnen kommen kann? Ich schätze die Mühe, die Sie sich geben, doch äußerst wert; ganz ehrlich!‘
Ihr Zuhörer anspruchslos erheiternder Erzählungen möget erkannt haben, dass des Seefahrers Worte einen gewissen Sarkasmus beinhalteten, den aber jene Gorgonen ähnliche Hilfe der Sprechstunde in ihrer Klugheit nicht ganz erkannte.
‚Sie armer Tropf haben es zwar nicht verdient, aber ich werde sehen, wo ich Sie einschieben kann. Ah, den Müller können wir verlegen, der lebt sowieso nicht mehr lange! Da haben wir es: Am 02.05. um 08:30 Uhr im Jahre des Herrn 2025! Ein echter Premiumtermin für Kassenpatienten, wenn auch nur vorläufig, der kann sich noch nach hinten verschieben.‘
‚Werte Dame, habe ich richtig gehört: 2025?‘
‚Sie brauchen mir nicht zu danken, ich stehe nicht so auf Schleimereien! Wenn Sie mir morgen einen Umschlag mit dem Zeichen Ihrer Wertschätzung vorbeibringen, dann reicht das völlig; aber 50 Euro sollten es schon sein. Und jetzt habe ich genug Zeit mit Ihnen verschwendet!‘
Trotz des beendeten Gesprächs noch ängstlich den Hörer haltend, berichtete Sindbad von seinem gesetzlich versicherten Schiffbruch der angetrauten Urmutter aller Wirbelstürme.
Aber, wertes Publikum, Allah ist barmherzig mit den Elenden! Nur ein Blick unendlicher Verachtung ward dem Schiffbrüchigen geschenkt und zischend weiser Rat.
‚So ein Schlappschwanz! Du rufst jetzt den Aladdin an, der kennt so manchen Arzt und kann Dich mit heißem Reifen wie der Wüstenwind überall hinfahren. Jetzt aber zackig,
Ein angenehmes Wochenende wünscht
JU
Kommentare
Frau Krause scheint kein Flaschen-Geist,
Da GEIST (s)ehr selten sie beweist ...
LG Axel
Haha, erfrischend -
der Geist in der Flasche macht aus allen Flaschen Helden - auch mich gelegentlich...
LG Alf
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