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sonst muss ich mir noch ein neues Nudelholz kaufen, weil Dein Schädel so hart ist!‘
Vielleicht solltet ihr Zuhörer – mit und ohne Leine – wissen, dass manch spottlustiger Athener bemerkte, der schon erwähnte Sokrates habe den Schierlingsbecher sozusagen freiwillig gelehrt, um dem ständigen Gekeife seiner besseren Hälfte zu entkommen; aber das nur am Rande.
Unter dem Basiliskenblick der liebevoll besorgten Gemahlin wählte der hartgeprüfte Bezwinger gefühlsmäßiger Gezeiten mit zitternden Händen die Telefonnummer seines Cousins.
‚Hallo, hier Aladdin Almisbah Alsihriu, An- und Verkauf antiker Leuchtmittel. Sie rufen außerhalb meiner Geschäftszeiten an, die sind nach Vereinbarung zwischen Montag und Freitag. Für eine Terminvereinbarung oder wirklich wichtige Nachricht sprich nach dem Signalton, oh solventester aller geehrten Kunden; ich rufe dann gegebenenfalls an.‘
‚Aladdin, melde Dich, hier Sindbad, es ist wirklich wichtig! Ich weiß, dass Du da bist!‘
‚Sindbad, Du altes Wüstenschiff, wo drückt denn der heldenhafte Pantoffel?‘
‚Ich habe mir den Fuß gebrochen und … – jetzt folgt in blumiger Sprache eine Zusammenfassung der bisherigen Geschehnisse nebst unterwürfiger Schmeicheleien gegenüber der nudelholzbewehrten, eifrig lauschenden Gattin, die ich euch, geplagteste aller Ehemänner, gerne ersparen möchte – … geliebte Schahrasad meinte, Du, mit Deiner Erfahrung hinsichtlich märchenhafter Krankheiten und dem Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamente, könntest mich zum richtigen Arzt fahren!‘
‚Sage einmal, oh von mancherlei Unglück geplagter Cousin, hört die äußerst verehrte, von überirdischer Schönheit gesegnete Gattin eigentlich das ganze Gespräch per Lautsprecher mit oder habe ich nur mit Dir das Vergnügen?‘
‚Das betrifft nur mich!‘
Den fragend strafenden Blick der Reinkarnation Xanthippens erwiderte der sanfte Sindbad mit einem so treuedoofen Mienenspiel, dass sich das halberhobene Nudelholz wieder senkte.
‚Ach, Du ärmster aller Hunde, hängt Dir Deine abgedrehte Alte wieder im Genick. Ist zwar nicht einfach, für einen Kassenknecht wie Dich etwas zu organisieren, aber Allah liebt die Barmherzigen! Mein Pal, der Ali Baba, war auch gesetzlich versichert und musste sogar 40 Ärzte aufsuchen, bevor man ihn in der Sesamstraße halbwegs anständig behandelte.‘
‚Weißt Du was, ich komme gleich vorbei und hole Dich aus den Fängen Deines Drachen. Ich habe von meinem letzten Auftritt bei Dr. Eisenbart noch ein Paar Krücken, die ich Dir überlassen kann.‘
Der lieblichen Schahrasad Mimik entsprach der einer vielgeplagten Frau, die noch überraschend eine sehr eklige Speise zu sich genommen hatte. Da Sindbad, dem Odysseus gleich ein großer Dulder, aus Selbsterhaltungsinteresse die Gesichtsausdrücke seines holden Eheweibes wohl interpretieren konnte, fiel ihm wahrhaft ein Gebirge vom Herzen, da ihr Antlitz den freundlichsten Ausdruck wiederspiegelte, zu dem die liebreizende Partnerin ihm gegenüber fähig war.
‚Du bist zwar ein Schwächling, aber zumindest hält Deine Familie zu Dir! Aladdin ist wenigstens ein richtiger Mann, der wird’s schon richten. Ach, warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört und keinen vermögenden Kerl, der nach Blut, Schweiß und Tränen riecht, geheiratet. Stattdessen muss ich mich in ein unsensibles Weichei verlieben, dessen lächerliche Erbschaft von 300000 Euro nicht einmal für eine Woche in Vegas gereicht hat. Ach, die ich viertplatzierte bei der ‚Miss Bagdad‘ 1998 war, verschwende die besten Jahre meines Lebens mit so einem willensschwachen Taugenichts, der nicht einmal genug Geld herbeischaffen kann, damit ich standesgemäß eine Nacht im Casino Royal am Roulette …‘
So, oh wertes Publikum, tadelte die etwas abgestandene Schönheit aus dem Morgenland mit sanfter Zärtlichkeit – aus ihrer Perspektive – den wohl überlegt schweigenden Gatten, über dessen Haupt das besagte Nudelholz an einem seideneren Faden hing als vor Urzeiten das Schwert über dem berühmten Damokles. Der große Dulder ertrug die kreischende Eloquenz seiner so wenig zufriedenen Ehefrau eine gute halbe Stunde, bis die Türklingel des heftig mit Hypotheken belasteten Reihenhauses ihn von seinem Elend erlöste. Wie ihr, oh angeleinteste aller mit einer Ehe gesegneten Zuhörer, sicher verstehen werdet, beeilte sich der sturmerprobte Sindbad, dem Ruf der Erlösung zu folgen und führte denn auch geschwind den nicht wohl gewachsenen, aber sehr männlichen – zumindest den Schweiß betreffend – Aladdin herein, der gewinnend die nun schweigende Sirene anlächelte.
‚Sei mir gegrüßt, oh Perle des Orients! Es ist immer ein Vergnügen von Deiner großen Schönheit geblendet zu werden!‘
Die inzwischen in die Jahre gekommene, viertklassige Schönheitskönigin kicherte geschmeichelt und blickte wenig aufrichtigen den Charmeur bewundernd an.
‚Oh Aladdin, Du weißt es wirklich, wie man eine Frau behandelt – im Gegensatz zu anderen Leuten!‘
Sindbad ignorierte den anzüglichen Seitenblick, den ihm seine getreue Gemahlin gönnte.
‚Also ich …‘
‚Was Sindbad sagen möchte ist, dass der weiseste aller Ehemänner einmal mehr grandiose Scheiße gebaut hat. Erst hat der sich absichtlich den Fuß gebrochen und findet jetzt nicht einmal einen Doktor. Ach, hätte ich doch nur auf meine Mutter gehört! …‘
Der lampenhandelnde Cousin fühlte sich nun bemüßigt seinerseits seine Verehrerin zu unterbrechen, um den Bemitleideten aus seiner misslichen Lage zu befreien.
‚Sanftmütigste und schönste Rose aller Blumenstöcke von Samarkand, ich unterbreche Dich nur ungern, aber Sindbad erzählte mir bereits die Geschichte. Gerne würde ich auch verweilen, um mich in Deiner Attraktivität zu sonnen, jedoch müssen wir uns beeilen wie ein Sandsturm an einem widrigen Tag im Tibesti, um einen Arzt zu finden. Also Sindbad, mein Lieber, ich helfe Dir jetzt zur Garderobe, damit Du Dir etwas überziehen kannst und dann müssen wir schnell los; die Gehhilfen habe ich dummerweise im Auto vergessen.‘
‚Natürlich, mein liebster Aladdin. Du bist immer so maskulin fordernd und obendrein noch sensibel, wenn mein Göttergatte doch nur halb so wäre wie Du. …‘
Während die Vettern sich so schnell wie die Möglichkeiten des havarierten Sindbads es zuließen zu ihrem ersehnten Ziel begaben und gemeinsam des Lädierten abgetragenen Mantel unter den unzähligen, modischen Outfits Schahrasads hervorholten, gurrte die wundersam gezähmte Furie weiter wie ein verliebtes Täubchen im Harem des Sultans von Buchara.
‚So, Du berauschenste aller Moschusblüten, Sindbad und ich verschwinden jetzt!‘
‚Was für ein Mann!‘
*
‚Deine Alte hat wirklich keinen Respekt vor Dir, aber was soll man von so einer Irren schon erwarten!‘
Nicht ohne Komplikationen hatten es die Cousins bis in Aladdins auf Hochglanz polierten Pernod Dschinn geschafft und machten sich soeben fahrbereit.
‚Sie war nicht immer so und obendrein eine wahre Schönheit aus einer guten Familie!‘
‚Solange Du Ihre Spielsucht finanzieren konntest, war vermutlich alles in Butter. Klar ist ihr Vater einflussreich und liebt sein Töchterchen schon sehr, aber selbst der klemmte ihr schon vor Urzeiten den Geldhahn ab.
Ein angenehmes Wochenende wünscht
JU
Kommentare
Frau Krause scheint kein Flaschen-Geist,
Da GEIST (s)ehr selten sie beweist ...
LG Axel
Haha, erfrischend -
der Geist in der Flasche macht aus allen Flaschen Helden - auch mich gelegentlich...
LG Alf
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