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Bibbi Blockhill seufzte zufrieden auf, als der letzte Besucher das Helios Sonnenstudio verließ. Dieser Typ, Karl Krautss – Betonung auf dem doppelten ‚S‘, wie der unbescheidene Frührentner stehts bemerkte – mit Namen, war einer jener besonders aufdringlichen Kerle, die sie förmlich mit ihren gierigen Blicken auszogen. Normalerweise genoss die attraktive, blonde Mitdreißigerin die bewundernden bis notgeilen Blicke männlicher und gewisser weiblicher Kunden, aber dieses mittelalterliche, verfettete Kahlkopfexemplar erzeugte in dem Objekt der Begierde doch den unwiderstehlichen Drang die letzte Mahlzeit oral zu emittieren. So richtig zum Abreihern war natürlich die Tatsache, dass dieser Antiadonis sich obendrein noch für völlig unwiderstehlich hielt. Welch ein Gegensatz zu ihrem Binukiu, der vergnügte sich zwar mit jeder willigen Dame, die sich nicht bei drei auf einem sehr hohen Baum befand, besaß zwar keinen Traumkörper, aber der Gedanke an seinen dominanten, herben Charme sowie an sein übergroßes Lümmelchen ließen ihr beizeiten einen wohligen Schauer reiner Wonne über den Rücken laufen; ein echter Kerl eben!
‚Ich hasse diese verkackten Machos!‘
Nach jener äußerst emanzipatorisch geäußerten Wunschvorstellung schüttelte Bibbi sich noch leicht in Erinnerung an Karl dem Kahlen, um sich nun, die gelangweilte Trägheit völlig abstreifend, mit feierabendlichem Feuereifer der Schließung des Grillstudios zu widmen. Dabei ging die sonst völlig desinteressierte Halbtagsangestellte mit ungewöhnlicher Akribie vor, die sonst eigentlich nur dem Lackieren ihrer Fuß- und Fingernägel während der Arbeitszeit vorbehalten blieb, da ihr Chef, dieser kleine Emporkömmling Aton, nicht lange mit dem Feuern von schlampigen Mitarbeitern fackelte und der kleine Streber vom Frühdienst, Freddie Echnaton, seinem hochverehrten Boss wirklich alles erzählte.
Nachdem es unserer vollbusigen Heldin nach einigen Anstrengungen – das Verwenden eines Schlüssels kann für einige Blondinen doch recht schwierig sein – gelungen war die Außentür zu verriegeln, begann sie eilig mit ihrem abendlichen Kontrollgang durch die einzelnen Kabinen.
‚Oh Manno!‘
Soeben hatte Bibbi Kabine 666 betreten und bemerkte eine ordentlich aufreihte Linie von leicht bräunlichen Kohlköpfen auf der altersschwachen Sonnenbank. Vermutlich stammte dies von dem bekloppten Krautss, dieser keimenden Kartoffel, der so ihre Zuneigung erringen wollte. Jedenfalls blitzte dieser etwas einfältige Einfall spontan durch den sonst eher schwerfälligen Geist des blonden Giftes, das denn auch ziemlich genervt aufseufzte.
‚Törööö!‘
Der trompetenartige Ausruf ließ die attraktive Blondine herumfahren, um an der Kabinentür eine sehr ungewöhnliche Gestalt wahrzunehmen. Mit aufgerissenen, verständnislosen Augen nahm Bibbi den Eindringling wahr und brach, als sie dann schließlich realisierte, was da vor ihr stand, in kreischendes Gelächter aus, das aber fast unmittelbar durch die heftig geschwungene Gartenkralle, die in ihre Haare haltende, obere Extremität eindrang, für immer beendet wurde.
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Das schicke, mit Brillianten besetztes I-Phon XL trötete die Tatorttitelmelodie – so programmiert als Erkennungs-zeichen für primitive Diensthandys niederer Kollegen – wieder einmal zur Unzeit, seinen Besitzer, Oberkommissar Punchie, bei seinem Morgenritual unterbrechend. Genervt seufzend legte der erfahrene Kriminalist den gerollten Euroschein nobelsten Nennwertes auf den 1000-Dollarspiegel, der sich auf seinem exklusiven Designertisch befand.
‚Was gibt‘s!‘
‚Hier Polizeihauptmeister Seppel! Entschuldigung mein Anruf, Kommissar Pierrot ist heute krankgemeldet und man hat mir an Sie verwiesen…‘
‚Mensch Seppel, ich mache gerade meinetwegen Homeoffice und bin momentan unabkömmlich. Als Ihr Vorgesetzter befehle ich Ihnen, sich an die Herren Kommissare Rivel oder Grock mit Ihrem Problemchen zu wenden! Schließlich ist es bereits 10:00 Uhr und die Faulpelze sollten längst auf der Dienststelle sein!‘
‚Jawoll Herr Oberkommissar, dat Gärtner hat wieder gemordet!‘
Der pflichtbewusste Polizeioffizier seufzte genervt: Immer diese Kinkerlitzchen! Des Seppels geäußerte, ökologisch wertvolle Berufsbezeichnung war der Spitzname eines aufblühenden Stars am Serienmörderhimmel, der seine Opfer ausschließlich mit Gartengeräten entleibte und die Tatorte mit Gemüsesorten der Saison drapierte.
‚Ach eine Leiche, wie bedauerlich! Wie auch immer, befolgen Sie jetzt meine Anweisungen! Der ermittelnde Kommissar soll mir dann morgen Bericht erstatten, aber bitte nicht vor 13:00 Uhr!‘
‚Tut mich echt leid, Herr Oberkommissar, dat hat mich dat Herzog von Otranto, wat Polizeidirektor is, persönlich gesagt.‘
‚Seppel, Sie Kretin! Ich meine: Sie Idiot, damit Sie mich auch verstehen! Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?! Wo hat denn unser Gartenfreund zugeschlagen?‘
‚Jawohl, Herr Oberidi… Ich meine: Ja Chef. Dat Tatort is die Bachbergstr. 7, dat is fast beim Puff, also dat Rotlichtviertel…‘
‚Halten Sie Ihren vorlauten Mund! Ich weiß, wo das ist und komme sofort:‘
‚Jawoll, Herr Oberkommissär, dat wissen Se bestimmt…‘
Nachdem Punchie auf elektronischem Wege seinem Untergebenen wütend das Wort abgeschnitten hatte, vollendete er sein unterbrochenes Vorhaben, indem er eine Line edlen, weißen Pulvers genoss, dessen Güteklasse außer Frage stand, da der flexible Beamte es am Tag zuvor geschickt aus der Asservatenkammer entwendete.
Dieser verdammte Seppel! Manchmal wusste der so unabkömmlich pflichtbewusste Oberkriminalist wirklich nicht, ob sein Knecht nun realiter mit derartig geringen mentalen Fähigkeiten gesegnet war – denn selig sind ja die geistig Armen, wie euch jeder pseudodemokratische Politiker freudig bestätigen wird – oder ihn mit seiner Schwejkiade nur grandios veräppelte. War gar des Polizeihauptmeisters letzte Bemerkung eine Anspielung auf seine diversen und sehr einträglichen Connections zum Zuhälterkönig Karl-Heinz Wirsch? Nein das konnte einfach nicht sein und wenn doch, so war das dem Polizeidirektor nebst sonstigen Großbonzen herzlich gleich, vorausgesetzt, es blieb auch bei höherer Stelle genug hängen.
Der milieuerfahrene Oberkommissar seufzte genervt. Das er sich nun wieder um diese Peanuts kümmern musste! Wen interessierte es schon, wenn irgendein Irrer einen Normalo umlegte; das geschah ja mittlerweile an jeder Straßenecke! Aber halt, das musste eine politische Sache sein, sonst hätte sich der Herzog von Otranto nicht persönlich eingeschaltet. Entweder gab es Hinweise oder es wurden eben halt solche von berufener Stelle konstruiert, die auf einen rechten Hintergrund des gestörten Täters hinwiesen. Punchie kannte seinen Chef gut genug! Der hatte schließlich einige Administrationen überlebt und stets im Sinne seiner Brötchengeber politisch missliebige Personen auf die eine oder andere Weise aus dem Verkehr gezogen; sozusagen vom Inquisitor gegen links zum Hexenjäger gegen rechts. Der erfahrene Ermittler lachte leise in sich hinein. Falls man jeweils ein entsprechendes Ministerium schuf, dann könnte er sich sehr gut vorstellen, wer dann der zukünftige Polizeiminister sein würde. Eins war allerdings klar: Der Herzog verstand absolut keinen Spaß!
So machte sich der stets politisch korrekte, aber ansonsten völlig korrupte Oberkommissar mit schwerem Herzen, zumal eigentlich das Abholen einiger wohlgefüllter Briefumschläge dankbarer ‚Stammkunden‘ anstand, auf den Weg.
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‚Herr Oberkommissar, melde gehorsamst: Dat is
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Zum neuen Jahr eine alte Geschichte, die euch erfreuen möge. Ansonsten wünsche ich alles Gute für 2021.
Cheerio
JU