Story XV: Der Gärtner oder eine gar garstige Moritat - Page 3

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seines Herrn angemessen wiederholen konnte, griff der geschäftstüchtige Oberkommissar deeskalierend ein.
‚Aber, aber, meine Herren. Kein Grund zur Aufregung! Ich denke, in Ihrem Fall können wir auf eine nähere Untersuchung der Penunze verzichten. Es ist sicherlich nicht notwendig, den ehrenwerten Lucifige Rofocale mit einem unbedeutenden Fall wie diesen zu behelligen. Seien Sie versichert, dass ich Sie wegen dieses Bagatelldeliktes nicht weiter belästigen werde! Sie können jetzt beruhigt nach Hause gehen. Falls Sie es wünschen, gebe ich Ihnen eine Polizeieskorte, damit Sie nicht weiter von solchem Unsinn wie Verkehr mit Vorfahrt oder roten Ampeln belästigt werden!‘
Flehentlich blickte Punchie den hoheitsvoll strahlenden Aton an.
‚Ich bin barmherzig auch zu denen, die es nicht verdienen, denn sie sind wie Staub an meinen Füßen oder Ameisen, die sich am Glanze meiner wärmenden Präsenz erfreuen. Du, Echnaton, eile Dich nun, um in meinem Bette das heilige Werk zu vollenden.‘
Wohlgefällig betrachtete der Sonnengott den bei seinem Vorgesetzten so unpopulären Polizeihauptmeister an.
‚Er folge mir eskortierend, da ich die Kinder und Narren liebe, denn ihr Glauben ist rein und stark. Er möge auch helfen, die Dreifaltigkeit in meinem Schlafzimmer kommen zu lassen!‘
‚Seppel, wenn Sie die Herren befriedigt haben, laden Sie doch bitte alle Verdächtige aufs Kommissariat.‘
‚Zu Befehl!‘
Ein freudig und wollüstig lächelnder Uniformträger beeilte sich, die liebevoll in Dominanz zugeneigten Ägypter beim Verlassen des Ortes zu eskortieren.
Babushka, der Pathologe, hatte in grinsendem Schweigen verharrend die bisherigen Geschehnisse verfolgt und meldete sich nun umso deutlicher zu Wort.
‚Oioi, Kommissärchen, was für ein Malheurchen. Sind Ihnen doch die beiden Ägypterchen entwischt…‘
‚Und was wollen Sie alter Leichenfledderer von mir? Labern Sie mich jetzt nicht voll, sondern kommen Sie zur Sache!‘
‚Ach Kommissärchen, regen Sie sich doch nicht so auf. Wollen Sie sich jetzt vielleicht noch das gemeuchelte Opferchen ansehen?‘
Offensichtlich hatten sich die niederen Chargen verschworen, den gebeutelten Oberkommissar zu nerven; außerdem waren da noch diverse Entzugserscheinungen.
‚Was soll denn der Unsinn, Sie alter Geier? Ich habe wichtigeres zu tun, als irgendwelche Kadaver zu begaffen! Stehlen Sie mir also nicht meine Zeit, Sie nekrophiler Pferdemetzger, sondern berichten sie mir das Wesentliche in Kürze!‘
‚Schade, Herr Oberermittlicherchen, das Kadaverchen ist wirklich nett anzusehen, trotz dem Gartenkrällchen im Schädelchen. Aufgrund meiner hochwissenschaftlichen Analyschen konnte ich feststellen, dass die Verblichene ihr Missgeschickchen zwischen gestern und heute ereilte. Ansonsten muss ich an dem Leichnamchen ein sehr genaues Autopsiechen durchführen, um Ihnen detailliertere Infochen geben zu können.‘
Ob man wohl Seppel und den Pathologen zusammen in eine dunkle Gasse locken konnte?
‚Und Sie sind im Oberstübchen nicht ganz dichtchen! Ich werde wohl ein ernstes Wort mit Ihrem Chefchen, Herrn Thanatos, reden müssen, Sie perverser Leichenschänder!‘
‚Aber Kommissärchen…‘
‚Jetzt schweigen Sie, ich habe hier schon genug meiner kostbaren Zeit verschwendet.‘
Suchend sah sich der nach einem geeigneten Untergebenen um, der die ungeliebten Ermittlungen weiterführen konnte. Schon stach ihm der prädestinierte Sündenbulle ins Auge.
‚Hey da, Unterwachtmeister, komm mal her.‘
‚Jawohl, Herr Oberkommissar!‘
Freudestrahlend eilte der Gerufene herbei – ein eher mickrig unscheinbares Exemplar der staatlicher Ordnungsmacht – und salutierte stramm vor dem bewunderten Führer, der dies mit einem verächtlichen Grinsen zur Kenntnis nahm.
‚Wie heißt Du eigentlich?‘
‚Karl Alhimar, Herr Oberkommissar!‘
‚Klingt irgendwie arabisch, aber egal! Hör zu Alhambra, Du wickelst jetzt diesen ganzen Zirkus hier ab, da ich noch wichtige Ermittlungen im örtlichen Kontakthof zu erledigen habe, bei denen ich nicht gestört werden darf. Du hast jetzt die volle Verantwortung und die absolute Super-Power von Krypton. Falls was schiefgeht, meldest Du das der Dienstaufsicht und erklärst, dass Du völlig eigenmächtig gehandelt hast. Hast Du das verstanden?‘
‚Jawohl, zu Befehl, Herr Oberkommissar!‘
Die Euphorie über so viel Zuwendung und Machtvollkommenheit ließen den subalternen Beamten fast vor Freude weinen, zumal der gewöhnlich das letzte Glied in der Nahrungskette bildete.
‚Möge die Macht mit Dir sein!‘
Mit diesen sinnreichen Worten verließ Punchie eilig den Ort des kriminalistischen Verderbens.

*

‚Törööö!‘
Traurig blickte er, der verkannte König des Vorstadtdschungels, in den dreckigen Spiegel seines ebenso winzigen wie heruntergekommenen Badezimmers. Nein, ein erfreulicher Anblick, so ging es durch sein dickschädeliges Haupt, war er trotz seines herkulischen Körperbaus nun wirklich nicht; wenn er nur diesen langen Gesichtserker sah! Kein Wunder, dass die Hells Angels oder Bandidos ihn trotz seiner langen Liste gemeuchelter Zeitgenossen lachend mit Fußtritten verjagten. Natürlich war eine Mitgliedschaft bei den weitaus brutaleren Gangs, wie den ‚Wilden Kerlen‘ oder den ‚Vorstadtkrokodilen‘, damit völlig undenkbar. So konnte und durfte es nicht weitergehen!
Entschlossen schmiss er sich in sein mörderisches Outfit und machte sich, sein Schippchen und Eimerchen schnappend, auf den unheilvollen Weg ohne Wiederkehr.

*

Gelangweilt betrachtete Punchie die Pornoseite auf seinem Dienst-PC, die als neueste Attraktion ein Spektakulum mit wohlproportionierten Damen, Herren und Eseln sowie anderem Getier großspurig ankündigte. Nach mehreren Runden des Bordellkönigs schauspielerisch – angesichts unseres müden Leitbullen eine wahrhaft Oskar würdige Leistung – und anderweitig begabten Talenten, stand der Sinn des oberkommissarischen Gesetzeshüter nun auf ein unkonventionelles Fest für die Augen. Tja, das Darknet wurde auch immer spießiger. Lag das etwa an der zunehmenden Zahl an politischen Entscheidungsträger, die hier zu ‚Recherchezwecken‘ surften?
Jäh wurden die ordnungspolitischen Gedankengänge des enttäuschten Voyeurs durch eine skypische Fanfare unterbrochen. Entsetzt fuhr der erfahrene Ermittler zusammen. Oh Gott, der Ton war ihm wohlbekannt und der Herzog ein gestrenger Herr.
Schnell die erotische Webside ungewöhnlicher Genüsse schließend, beeilte sich der beflissene Kriminalist, die Videokonferenz anzunehmen und forsch schleimiger Stimme seinen Dominus zu begrüßen.
‚Herr Polizeidirektor, welche außerordentliche Freude. Was darf ich denn für Sie tun.‘
Woher wusste dieser vertrocknete Knilch eigentlich, dass er vor einigen Minuten widerwillig in sein ärmliches Büro stolperte – die Gymnastik und gewisse, potenzsteigernde Mittelchen, deren Effekt aber nicht das gewünschte Maß erreichte!
‚Punchie lassen Sie diese Schleimereien und geben Sie gefälligst Rapport. Haben Sie den Täter jetzt verhaftet.‘
‚Nein, mon ministre. Leider…‘
‚Genug! Ich bin wirklich tief enttäuscht von Ihnen! Ich möchte Ihre billigen Ausreden auch nicht hören. Statt Damen im Rotlichtviertel zu beglücken und billige Pornographie zu konsumieren, sollten Sie besser Ihre Pflicht mir gegenüber erfüllen. Vielleicht hätte ich doch Kommissarin Baba Jaga auf diesen Fall ansetzen sollen, die liefert stets die passenden Delinquenten und hat einträgliche Beziehungen zu russischen Geschäftsleuten. Ich frage mich ernsthaft, ob die nicht besser für Ihre Stelle geeignet wäre? Aber da ich ein fairer Mann bin, will ich Ihnen noch eine Chance geben! Eigentlich ist

Zum neuen Jahr eine alte Geschichte, die euch erfreuen möge. Ansonsten wünsche ich alles Gute für 2021.
Cheerio
JU

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04. Jan 2021

Wie immer bedankt sich die Firma für die Blumen.
LG JU

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