Ich glaube, über die Jugend wird man sich erst klar, wenn man sie hinter sich gelassen hat, wenn man am Zeitstrahl entlang schaut und in die Richtung schaut, in der er länger ist und dann ganz am Ende, hinten, kaum wahrnehmbar, ein perlmutterfarbenes Leuchten schüchtern das Dunkel der Vergangenheit überhaucht.
Da fragt man sich dann: Was war das? Ein Versprechen? Ein hoffnungsfroher Aufbruch mit noch kurzen Beinchen und erwartungsvoll gestrecktem Hals in das hinein, was da noch alles kommen mag, was alles da versteckt sein mag in diesem überreichen Füllhorn, das Leben genannt wird?
Nur ist einem das nicht bewusst, in dem Moment, in dem man es lebt.
Man bewältigt einfach Tag für Tag, tut Dinge, die man nicht gern tut, weil sie einem aufgetragen werden, oder tut sie nicht. Träumt von Dingen, die man gerne tun möchte, aber nicht tun kann, weil erst noch dieses getan, zur Schule gegangen werden, das noch abgeholt oder fortgebracht oder eingekauft oder geholfen werden muss ... NIE reicht die Zeit für das, was man selber machen möchte.
Einfach sein. Einfach nur sein ...
Und wenn man dann von ganz vorne auf dem Zeitstrahl zurückschaut in dieses ferne Glimmen, dann wäre eine gute Gelegenheit festzustellen, dass man auch heute - gerade jetzt, im Moment, einfach sein kann, es voll auskosten kann, zu sein, erleben, leben zu können, jetzt, ohne Blick mit eingezogenem Kopf in die andere Richtung des Zeitstrahls, wo ein dunkler Nebel lauert, uns in Empfang zu nehmen.
In der Rückschau ist es immer heller da, wo man herkommt, als da, wo man hingeht. Dabei leben wir HEUTE im vollen Licht des Hier und Jetzt. Genau dieser Moment ist die Jugend, auf die wir übermorgen sehnsuchtsvoll zurückschauen.
© noé/2015 Alle Rechte bei der Autorin
Erneut ein Projekt der "Künstlergruppe 14 Zoll",
und darin eben mein Beitrag.