Als ich klein war, ging ich ohne ihn nicht aus dem Haus und erst recht nicht ins Bett. Mein Begleiter war mein Lebensgefährte, mein Spielkamerad und mein Kuschler schlechthin. Willi hieß er. Und Willi gab mir Sicherheit, spendete Trost und war stets da, wenn ich ihn brauchte. Willi ließ meine Fantasie lebendig werden. Er machte im wahrsten Sinne des Wortes einen Jungen aus mir. Willi und ich! Zusammen waren wir ein Dreamteam. Unschlagbar für den Rest der Welt. Wir machten uns gegenseitig Mut, dachten und sprachen aus einem Mund. Psychologen nennen Freunde wie meinen Teddybär Willi ein „Übergangsobjekt“. Solche Übergangsobjekte helfen uns bei der Lösung vom Elternhaus. Auf dem Weg zum Erwachsenen wurde Willi oft lästig und peinlich. Kamen Freunde oder die Freundin zu Besuch, flog der Kuschler in den Schrank.
Neulich las ich, dass jeder siebte Erwachsene nach der Devise: „Nichts geht ohne mein Stofftier!“ einen Plüschpartner besitzt: Sie finden das seltsam? Quatsch! Fast jede fünfte Frau packt ein Plüschtier in ihre Tasche. Beim Mann ist es jeder neunte. Denken Sie an die vielen Stofftiere in den Autos und an den Fahr- und Motorrädern. Auf Kameraden wie Willi ist Verlass! Sie sind einfach da und kosten kein Geld für den Unterhalt. Willi lässt seine Freunde nicht einsam werden. Ganz im Gegenteil. Willi übt eine wertvolle „Ankerfunktion“ aus, sagt die Wissenschaft von der Seele. Kuscheltiere sind von magischer Faszination und Anziehungskraft. Wie die Totems auf der Osterinsel sind sie Teil eines Rituals. In meiner Kindheit war Willi ein treuer Schlafbegleiter durch die Welt meiner Träume.
Das Stofftier ist ein Wesen, das zur psychischen Hygiene beiträgt. Der Kuschler schützt uns vor den Widrigkeiten des Lebens, einem Talisman oder Kreuz nicht unähnlich. Ein Teddy, der Sorgen lindert, weil er DA ist. Es gibt nicht wenige Menschen, auf die Kuscheltiere befreiend wirken und unser Denken und Reden flüssig machen. Ähnlich wie bei Plüschtieren, Plastik- oder Holzpuppen, ließ ich Willi sprechen und Wahrheiten sagen, die auch ich ertragen konnte.
Wozu erwähne ich Willi überhaupt? Vielleicht haben wir als Erwachsene aufgehört, über unser Innerstes zu sprechen. Vielleicht sind wir Teddys geworden, die sprachlich oft ziemlich zerfranst und zerzaust daherkommen und seelisch notdürftig geflickt werden müssen. Bei mir ist es so.
(c) Olaf Lüken (11.04.2021)
Inspiriert zum Artikel hat mich Sven Stillich. Danke.