Kluge Fragen

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

„Hast du das Bild für dich gemalt, oder ist das ein Auftragsbild?“ Was für eine Frage?! Natürlich male ich alle Bilder für mich, denn ich bin ein Egoist, nein, das stimmt gar nicht, ich bin ein Egozentriker! Vielleicht sind alle Künstler Egozentriker? Ja, das ist es: ein Künstler, der ein Künstler ist, muss fast ein Egozentriker sein – gibt er nicht der Kunst den Vorzug vor der Familie?!

Und richtig – wer stellt solche Fragen? Familienväter und Mütter, die es sich nicht erlauben dürfen, etwas zu tun, was der Familie abträglich ist. Deshalb liebe ich solche Leute auch. Ihre Zweckgebundenheit fasziniert mich über alle Maßen! (Das ist sogar nichtmal ein Witz!) Sie haben eine Bestimmung, ich nicht! Ich male! Ich tue das ausschließlich für mich! Nein?

Für wen tue ich, was ich tue? Ich tue es für die Welt? Für Gott und die Welt? Nein, dafür nicht! Ich äußere meine Gedanken, bildlich und schriftlich, um etwas herauszufinden, um auf etwas hinzuweisen, um darauf hinzuweisen, wie man etwas herausfinden kann! Oder male ich Allerweltsmotive? Motive, die die Welt schon tausendmal gesehen hat und eine Million Mal zu sehen bekommt.

Wenn das so ist, dann habe ich nichts vor! Damit könnte ich unter Umständen auch eine Familie ernähren. Aber, will ich das? Nein, das will ich natürlich absolut nicht. Schließlich bin ich ein Egozentriker! Egozentriker ernähren keine Familien. Sie tun alles nur für sich selbst, sie sind Künstler…? Oder gibt es auch Egozentriker, die nicht für Gott und die Welt Bilder malen oder Gedichte schreiben, sondern, ausschließlich zur Befriedigung persönlicher Interessen eine Familie haben?

So etwas ist natürlich nicht vorstellbar, ebenso wenig, wie unvorstellbar ist, daß solche Nicht-Egozentriker, mich Egozentriker ganz harmlos fragen: „Hast du das Bild für dich gemalt, oder ist das ein Auftragsbild?“ Womit sie sagen wollen: „Kannst du damit eine Familie ernähren, oder eher weniger? Was denkst du dir eigentlich?!“

Naiv, wie ich bin, erlaube ich mir dann manchmal, auf durchaus erfolgreiche Künstlerkollegen hinzuweisen, denen es gelang, Bilder für sich, Gott und die Welt zu malen und nebenbei manchmal sogar mehrere Familien hintereinander bzw. gleichzeitig zu ernähren. „Sowas würdest du auch wollen?“, höre ich dann – zumindest im Geiste – auch wenn, was bisweilen vorkommt, das Gegenüber Zurückhaltung übt und schweigt.

Ich spüre dann die Weisheit solcher Kandidaten, wie Eiswürfel auf dem Leib, und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich weiß, wenn sie annehmen würden, mir gefiele es für mich zu malen, zu dichten etc. und darüber hinaus gleich mehrfach familiäre Pflichten wahrzunehmen, oder anders ausgedrückt, die Früchte des Erfolges einzuheimsen, soviel ich nur bekommen kann, dann wäre es ihr Wunsch mich erschlagen zu dürfen.

Gehört nicht überhaupt jeder erschlagen, der etwas für sich tut, ohne leiden zu müssen? Dies, so scheint mir, ist jedenfalls vom Standpunkt derer aus völlig richtig, die zwar egoistisch waren, sich dann aber herausgestellt hat, daß sie dabei nicht die Spur nachgedacht haben.

Ergo: genieße ich es, wenn man mich dafür beneidet, daß ich ein unverbesserlicher Egozentriker bin, der schamlos für sich ganz allein, höchstens noch für Gott und die Welt schreibt und gestaltet, wobei er sich sämtlicher, logisch nachvollziehbarer Pflichten einfach entzieht. Bin ich nicht unverschämt…äh unverschämt geschickt, in meiner Eigenschaft als Betrüger, der seinen Betrug auch noch in der Genugtuung über die Qualität seiner Werke verherrlicht?!

Was werde ich nun folglich antworten, wenn mich einer fragt: hast du das Bild für dich gemalt oder war das ein Auftrag? Ich werde einfach sagen: „es hat mich solange geplagt verwirklicht zu werden, bis ich mich an die Arbeit machte – dann habe ich es schmerzhaft, in langer, akribischer Arbeit geboren...ich bin sozusagen sein Vutter: Mutter und Vater zugleich, ich liebe es wie ein Kind und ich frage dich jetzt auch nicht „hast du dein Kind ganz allein für dich gemacht, oder war das ein Auftragskind?“

Vom Gedichteschreiben erwähne ich dann aber immer noch nichts, denn Gedichte schreiben ausschließlich Verstorbene, oder lebensunfähige Traumtänzer, die entweder von Geburt an berühmt waren, oder es niemals zu etwas Vernünftigem bringen werden. Schließlich bin ich auch nicht ganz blöde und verwende noch ein Quäntchen meines Verstandes um mich in die nächstmögliche Sicherheit zu bringen, wenn mir sowas wie ein Galgen droht – und sei der auch nur imaginär.

©Alf Glocker

Veröffentlicht / Quelle: 
Auf anderen Webseiten
Prosa in Kategorie: 
Thema / Klassifikation: