Marionette Gottes

Bild zeigt Anita Zöhrer
von Anita Zöhrer

Was ich gerne tun würde, darf ich nicht tun. Andere entscheiden über mich; meine Fäden haben sie in der Hand. Ich bin ein Gefangener und dabei heißt es in der Bibel, wir wären zur Freiheit erschaffen.
Vielleicht gilt diese Verheißung aber auch nur Menschen und ich bin kein Mensch. Ich bin ein Gegenstand, ein wertloses Nichts in den Augen vieler. Und dabei sind die Unterschiede zwischen uns gar nicht so groß.

Ich habe ein Gesicht und ein hübsches außerdem. Ich habe zwei Beine, zwei Arme und Ohren. Als Kleidung trage ich eine braune Kutte und ein weißes Zingulum. Sogar Schuhe hat mein Schöpfer mir geschenkt. Meine Haare sehen zwar etwas zerzaust aus, aber ich will sie nicht anders haben.

Meine Freunde sagen, wir hätten Ähnlichkeit – mein Besitzer und ich. Abgesehen natürlich von unserer Körpergröße und dem Material, aus dem wir geschaffen sind. Aber sonst haben sie schon Recht.
Wir beide zählen zur selben spirituellen Gemeinschaft. Mein Besitzer hat sie sich selbst ausgesucht; für mich hat dies mein Schöpfer übernommen.

Ich darf nie etwas selbst entscheiden und durfte es auch nie. Stets wurde ich bevormundet und dasselbe geschieht nun leider auch meinem Besitzer. Selbst seine engsten Freunde fallen ihm hinterhältig in den Rücken, deren Herz ist härter als das meinige. Kein Wunder, mein Herz ist aus Holz – ihres aus Stein.

Könnte ich weinen - ich würde es tun. Könnte ich meinem Besitzer helfen - ich würde für ihn sofort alle Hebel in Bewegung setzen. Im Gegensatz zu den anderen vergesse ich nämlich nicht, was ich ihm alles an Gutem und Positivem verdanke. Im Gegensatz zu ihnen kann ich ihm seine Fehler verzeihen. Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein!

Doch ich bin nicht zu mehr fähig, als für ihn zu beten. Es tut mir leid, aber mir sind die Hände gebunden. Nicht mehr als eine Marionette Gottes bin ich und werde es auch nie sein. Ich war bisher nie unzufrieden damit, doch langsam reicht es mir. Es macht mich traurig. Was nützt es, zu existieren, wenn ich sowieso nur in der Gegend herumhänge? Was nützt mein Dasein, wenn ich noch nicht einmal mit meinem Anblick meinen Besitzer trösten, ihn erfreuen kann?

Wie sehr wünschte ich, Gott hätte auch mir Leben eingehaucht. Wie gerne würde ich die Last auf den Schultern meines Besitzers zerbrechen und ihm ein Lächeln auf die Lippen zaubern.

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