Schon vor dem Eingang zur U-Bahn-Station erfasst mein Blick fünf Polizisten, die sich vor der Treppe aufgebaut haben. Neben mir geht ein großer junger Mann afrikanischer Herkunft. Ich erreiche die Ordnungshüter, bereit mein Ticket vorzuweisen. Doch die Polizisten würdigen mich keines Blickes. Maskenpflicht-Kontrolle! Ein Polizist spricht den jungen Mann an: „Sie haben doch schon eine Maske auf, Sie brauchen doch keine zweite!“ Unwillkürlich richte ich meinen Blick auf den Hünen, der eine schwarze Maske hinter seinem rechten Ohr befestigt und wortlos weiter geht. Sprechen würde wohl hinter zwei Masken schwerfallen, geht mir durch den Kopf. „Na, dann eben zwei, wie Sie meinen“, sagt der Polizist.
Während ich auf den Zug warte, beschäftigt mich diese Episode. Verwirrt sah der junge Mann nicht aus, aber wieso zog er eine zweite schwarze Maske – mir nichts, dir nichts – demonstrativ über seine helle? Ein Affront gegen die wegen Rassismus angeprangerte Polizei? Der Polizist wies den Mann freundlich daraufhin, dass er so doch noch weniger Luft bekäme. Ich möchte unsere Polizei in Schutz nehmen, wenn ich durch die Medien mitbekomme, welcher Aggression, Gewalt und Gefahr sie zunehmend ausgesetzt ist. Der junge Mann sah ausgesprochen friedlich aus. Kann es sein, dass sich die Maske wie angewachsen im Gesicht anfühlt, und er deshalb schnell eine zweite überzog beim Anblick der Polizisten. Vielleicht ging es ihm wie mir mit der Brille auf der Nase, die ich ständig auf der Couch, unter dem Tisch, im Bad suche. Auch ich wühlte panisch nach der Maske in der Tasche, dabei hatte ich sie unter das Kinn geschoben. Ich muss schmunzeln, mute ich nun dem jungen Mann meine Vergesslichkeit zu. Mit dem Schmunzeln, dass unter meiner Maske nicht zu sehen ist, steige ich in den U-Bahn-Wagen. Zufrieden sehe ich maskierte Passagiere, keine Doppelmaskierten. Leider gibt es nicht so oft lustige Momente in Zeiten der Jahrhundert-Pandemie.
Maske hält doppelt
von Lena Kelm
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