Miss Mutig und ein Stein

Bild von Alf Glocker
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„Guck nicht so blöd‘!“, sagte Miss Mutig zum Grafen Stein, der etwas verloren neben ihr aussah, als sie an diesem schönen Nachmittag auf der Terrasse standen. Stein schaute ihr eifrig beim Rauchen zu. Zwischendurch hustete sie knallend.

Miss Mutig war die meiste Zeit missmutig, außer sie hatte mal einen, aber das kam nicht so oft vor – dafür sorgte sie schon! Und wenn, dann hatte der Graf ohnehin nichts damit zu tun. Das war allein ihre Angelegenheit. Und wem sie das gewährte ebenso.

Moralisch sei „in“ fand sie, und einen zu haben, durfte ausschließlich in den Armen eines Armen geschehen, den sie vorher fein säuberlich angepflaumt hatte. Das musste sein, so viel war sicher!

Und ein richtiger Mann musste es auch sein, nicht so einer wie ein Stein, wie der Graf, der mit richtigem Namen eigentlich „Sohwass von Schlapp“ hieß. Alter, polnischer Landadel natürlich – aber fürs blöd Schauen reichte es allemal.

Nach außen hin ungerührt, wie er blieb, egal was auch kam, nannte sie ihn immer nur „Stein“, mit dem unbestimmten Artikel „ein“ vorneweg, wenn sie sich mal wieder über ihn lustig machen wollte – was so gut wie nie vorkam…also höchstens schlappe 3mal am Tag.

Mehr Humor konnte sie einfach nicht aufbringen. Schließlich ist frau ja auch noch und vor allem diszipliniert – nur nicht beim Anwandlungen kriegen. Da brauchte sie eine starke Schulter, an der sie sich austoben konnte und manchmal auch heulen wie eine ganze Meute Schlosshunde auf einmal.

Aber die hatte „Es“ ja nicht, die männlich starke Schulter, dieses allzeit verschlafen dreinblickende Monstrum ohne auch nur das allerkleinste Gespür für Frauen. Ein Stein schafft sowas einfach nicht. Der spielt Härte vor, der weint im Stillen Kämmerlein, der hat – eigenem Gutdünken zufolge – höchstens „große“ Gedanken, aber auf keinen Fall echte Gefühle.

Und genau deshalb kam es auch so selten vor, daß sie mal einen hatte. Bekam sie denn Blumen? Nie! Nicht verbal, nicht auf Knien, nicht mit der größtmöglichen Anerkennung, sprich „Verehrung“. Nichts bekam sie. Sex vielleicht, aber was sollte sie damit schon groß anfangen?!

Am Morgen, wenn „Er“ gut aufgelegt war, schlüpfte sie bereits missmutig aus den Federn und vergiftete – in der Hoffnung dafür geliebt zu werden – die Atmosphäre im Hause von Herzen. Und so hätte sie auch am liebsten geheißen: „Miss von Herzen“. Nicht „Gräfin von Schlappenstein“!

Seit ihrer Hochzeit (selbstverständlich initiiert von ihr) mit dieser Nullhatte sie damit gerechnet, von seinem Aussehen, seinem Einsehen und dem Stammbaum profitieren zu können. Keiner derer von Schlapps war blöde gewesen und keiner erfolglos, nur dieser Stein, dieses Weichei im realen Leben, wie es im Buche steht, war zu nichts zu gebrauchen!

Wie oft hatte sie sich schon vorgenommen keinen zu bekommen, wenn er ihr nicht vorher etwas gab: seine Überzeugung, daß sie einfach das Wichtigste für ihn war, der Lebensinhalt eben. Nein! Er hatte immer nur dagestanden und philosophiert. Wozu sollte das gut sein? Auch Einstein hatte schließlich Familie! Aber heutzutage kann man von den Männern eben nichts mehr erwarten, keine Selbstaufgabe, keine dummdreiste Leidenschaft, nur noch Flausen im Kopf!

Was interessierte sie, Miss Mutig, z.B. die Literatur, die Kunst? Gut, ein Kaufhausbild fürs Wohnzimmer vielleicht. Das musste genügen. Ansonsten hatte alles schlicht und zweckmäßig, geeignet für die Brutpflege zu sein. Auch Steine müssen sich für gewöhnlich danach ausrichten, ob sie nun rund sind oder nicht.

Da darf nichts ins Rollen kommen, das steht ihnen nicht gut zu Gesicht! Und wenn ihnen mal etwas steht, dann dürfen sie es nicht gleich zweckentfremden und absurde Fantasien damit verbinden! Dann muss das Runde in das Eckige und sonst gar nichts! Und dann, genau dann, lassen sich auch missmutige Herrschlichkeiten dazu hinreißen einen zu bekommen. Schluss!

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Kommentare

15. Mai 2015

Jaja! "Die Schönen und die Reichen"...
(Latschen rum wie Wasserleichen...)

LG Axel

16. Mai 2015

Wasserleichen, nichts als Wasserleichen stecken dahinter...

LG Alf