Praecox
(nur ein Fragment)
Das Problem lag darin, dass die Tote genau im Eingang gefunden wurde. Ihr Oberkörper gehörte der Kirche, ihr Unterkörper der Straße. Wie doppelsinnig das war, sollte sich allerdings erst im Laufe der Untersuchung herausstellen.
Schultern und Kopf waren züchtig bedeckt vom Rocksaum, der dadurch ihre unteren Extremitäten in voller Länge dem Betrachter darbot. Don Efisio schlug hastig drei Kreuze, als er das vollendete Werk der Schöpfung so sah. Später musste er dem Kommissario erklären, warum er den Tatort verändert hatte, aber konnte er dem allgegenwärtigen Versucher den Triumpf ihrer Blöße lassen? Die Kirche musste sowieso neu geweiht werden nach dieser Freveltat, da spielte es keine Rolle mehr, dass nun Kopf und Schultern unbedeckt waren. Und schließlich, so hatte es den Anschein, wollte das Opfer Schutz im Schoß der Kirche suchen. Ihr Mörder - und wer weiß, wieviel Schlimmeres noch - hatte ihr den Kopf verdreht - ein Blick zurück voller gefrorenen Entsetzens.
Die Blutlache, die sie umrahmte wie ein Heiligenschein, rührte daher, dass ihr die Zunge mit einem sauberen Schnitt entfernt worden war. Sie steckte in einem der Kondome, die die Leiche wie bunte Blütenblätter umgaben. In einem anderen fand man einen Rosenkranz - das Grauen wollte kein Ende nehmen.
Don Efisio wünschte sehnlichst, dem Opfer wäre die Flucht gelungen oder aber wenigstens, der Mörder hätte seine Tat frühzeitiger durchführen können, damit seine Kirche nicht erst besudelt worden wäre.
© noé. Alle Rechte bei der Autorin.