Small Talk

Bild zeigt Alf Glocker
von Alf Glocker

Meine Freundin Faseline unterrichtet mich neuerdings in Small Talk! „Zuerst“, sagt sie, „üben wir Kaugummi-Blasen zu bilden!“ Sie zeigt mir wie man das macht und nach 3 Stunden kann ich es tatsächlich. Ich weiß, wie man Sprechblasen ähnliche Gebilde erzeugt! „Dann“, meint sie, „musst du Trockenübungen lernen – bewege einfach deine Lippen, ohne die Stimme zusätzlich zu bemühen.“

Ich staune, erinnere mich aber an die letzte Party und frage mich, warum die eigentlich stattgefunden hat, wo doch keiner etwas gesagt hat, das es wert gewesen wäre, erwähnt zu werden. Sex gab‘s ja auch keinen! „Du musst wissen“, belehrt sie mich, „daß man für den richtigen Small Talk einen hohen Bildungsstand braucht und dazu auch genau informiert sein muss, was grade so passiert.“

Dann üben wir Gesichtsausdrücke! Der Aufmerksame ist sehr gefragt. „Aber“, belehrt mich Faseline, „du musst nicht wirklich hinhören, wenn dein Gegenüber fertig ist, erzählst du einfach auch irgendwas – das nicht wichtig ist, aber es muss sich innerhalb der gestatteten Normen befinden … sonst bist du gleich unten durch!“ Da gilt es teuflisch aufzupassen. Du wirst schnell ignoriert.

„Folgende Grundregeln sind des Weiteren zu befolgen: Du darfst niemandem Angst machen, indem du etwas reale Zustände erwähnst – wenn du jemanden vor dir hast, der hässlich ist, dann sprich auf keinen Fall über attraktive Personen, nicht einmal über Attraktivität an sich!“ Ich staune, muss das aber einsehen. „Was noch?“, frage ich kleinlaut. „Keine politischen Witze!!“ klärt mich Faseline auf.

„Gar keine?“, frage ich dämlich zurück. „Na ja“, erwidert sie – wenn du jemanden weißt, der vom Mainstream offiziell als Sündenbock ausgewiesen ist, dann schon, dann gehört es quasi zum guten Ton! Das kann dann eine Person oder auch eine Partei sein. Aber auch hier heißt es aufpassen – du darfst auf keinen Fall dabei hintergründig oder ironisch wirken. Da sind auch die Dümmsten sehr hellhörig!“

„Laber einfach was vom Essen oder Trinken“, empfiehlt mir Faseline, „damit liegst du niemals falsch. Das Umweltthema ist tabu! Es läuft alles wie es immer lief und was ist passiert?! Nichts – wir leben immer noch. Hurra! Oder Pssst!“ So langsam kapiere ich wie man sich verhält, dringe aber weiter – rein verbal, versteht sich – in Faseline:

„Und wie ist das mit Ehre und Integrität?“ „Ganz einfach, wie alles“, meint sie furztrocken und ich werde blass! „Du musst auf ‚dezent bedeutend‘ machen!“ „Wie geht das?“, will ich wissen. Aber sie lacht nur: „Nun stell dich nicht so an – du tust halt so, als seist du fürchterlich erwachsen, als hättest du alles im Griff!“

„Oh!“ stöhne ich nur, „und wenn das mit den real existierenden Zuständen gar nicht übereinstimmt?“ „Dann wirke ganz besonders zuverlässig, indem du so tust, als wenn du das größte Vertrauen in den Staat und die Welt hättest und als ob irgendwie gut darüber informiert wärst, was aktuell so vor sich geht. Das hört jeder gern!“

„Ja? – auch wenn’s nicht stimmt?“ „Wozu sollte etwas stimmen?? Du bist auf einer Party oder Gast bei einem Essen, wo es drauf ankommt, Kontakte zu knüpfen. Du sollst zuverlässig, nicht weltverbesserisch wirken. Revolutionäre haben erst wieder Hochkonjunktur, wenn die Guillotine aufgestellt wird, vorher nicht!“

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