Von Wundern

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Meera, die kleine Meergöttin.
So kräftig ihre Stimme ist, so klein, zart, verletzlich und doch so perfekt liegt sie in ihrem Tragekorb. Fast wagt man sich gar nicht, dieses zerbrechliche Wesen anzufassen. Aber ich darf sie sogar halten! Dieses Vertrauen weiß ich zu schätzen.

Meera ist jüngstes Mitglied in der Großfamilie, meinen neuen Bekannten, wie alle Menschen türkischer Herkunft, die ich kenne - viele sind es nicht - von einer warmen, spontanen, ganz natürlichen Herzlichkeit, und jetzt erklärter Mittelpunkt jeder zusammentreffenden Runde. Langweilig kann ihr so jedenfalls nicht werden, stellte ich vor ein paar Wochen fest, eher wird sie wohl anfangen zu "krähen", wenn es plötzlich still werden sollte um sie herum.

Jedes Neugeborene hat seinen eigenen Zauber, nicht jedes ist so entzückend wie Meera, aber jedes, ausnahmslos jedes, geht ans Herz, ach was, direkt hinein ins Zentrum. Ist es nur das viel zitierte Kindchenschema, das da greift?

Mich berührt immer die zum Vertrauen "gezwungene" Ausgeliefertheit eines so zarten Neuankömmlings und mit wie viel Selbstverständlichkeit sie in ihrer Entwicklung ein gutes Wollen bei ihrem jeweiligen Gegenüber einfach voraussetzen. Sie kämen gar nicht auf die Idee, sie könnten hässlich, ungewollt oder ungeliebt sein. Wen bezaubert ein offen strahlendes, vorbehaltloses Baby-Lächeln nicht bis ins Herz? Und - schwupps - kriegt man sie da nicht wieder raus.

Was ich nicht verstehen kann, nie werde nachvollziehen können: wie man einem so vertrauenden, schutz- und wehrlosen kleinen Wesen Böses antun könnte, wie man es wissentlich und willentlich schädigen könnte, es schlagen, ihm Schmerzen zufügen oder sogar viel Schlimmeres.

Sie haben noch so viel vom Himmel in sich, vom Paradies. Wer nicht an Gott glaubt, sollte sich unvoreingenommen diese Beweise seiner Größe ansehen und sagen, dass sein Herz NICHT aufgeht bei so viel berührender Schönheit.

Mit nur drei Monaten musste Meera am offenen Herzen operiert werden, an einem Herzchen, das nicht größer ist als ihre eigene kleine Babyfaust.
Und das ist das nächste Wunder, neben dem kleinen atmenden aus dem Paradies: Dass es überhaupt möglich ist, eine solche Präzisionsarbeit an dem winzigen Herzchen durchzuführen - und sie gelingen zu lassen.

Nach ganzen 14 Tagen Trennung von der kummerzermürbten Familie (man beachte die Relation zur Gesamt-Lebenszeit!) ist sie jetzt mit guten Prognosen nach Hause entlassen worden, auch die Wunden heilen schnell.

Der liebe Gott hat sie in ein warmes Nestchen gelegt, als er sie in ihre Familie schickte. Er wird weiter ein Auge auf sie haben.

© noé/2015 Alle Rechte bei der Autorin

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Kommentare

05. Mai 2015

Solche Wunder - sie geschehen!
Manche - wollen sie nicht sehen...

LG Axel