Alles umsonst ...!

Bild von Annelie Kelch
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Dämmer, über verschneite Gräber getropft …
Tausendjährig: Gespenster der Vergangenheit.
Ein rostiger Helm, halb zerfetzt, gibt Auskunft über
Gemetzel … O ave Lamento, das von Hügel zu Hügel zieht.
Umher irrt der Wind, weiß nicht, wohin ...
Offene Münder, sich gegen Sargholz verströmend,
Klagen hart unterm Kreuz: „Viel zu jung sind wir gestorben;
Wir hätten gern noch ein Weilchen gelebt.“

O Schatten des Todes, eilst von Grab zu Grab ...
Zählst deine Kreuze wie Trophäen: vierzigtausend ...
Wegen eines unsinnigen Befehls. – Rose aus weißem Gebein
Will ihren letzten Dorn in gut genährtes Fleisch schlagen,
Führt den Gefallenen das Wort:

„Gestorben waren wir siebzehnjährig längst, bevor man uns
Vor den Schlachtkarren spannte – tot kehrten wir heim:
Geschieden von den Lebenden, kein Recht auf Einspruch.
Auf unsere Kosten lebt ihr im Frieden – lebt ... in eurem
Scheinfrieden unter den Himmeln der Massaker, der Aufrüstung;
Nichts, das euch erschüttern kann … alles umsonst!
Nicht für den Frieden, für neue Kriege und schärfere Waffen
sind wir gestorben …“

Interne Verweise

Kommentare

01. Dez 2018

Zum Glück wird heut "human" krepiert!
(Und mehr denn je am Krieg kassiert ...)

LG Axel

01. Dez 2018

Danke, Axel. - Und so nahm der Schrecken seinen Lauf: Nach zweiwöchigen Kämpfen kapitulierten am 27.09.1939 die Verteidiger Warschaus vor der deutschen Wehrmacht. Am 04. Oktober nahm Hitler dort die "Siegesparade" ab. Polen wurde zum vierten Mal in seiner Geschichte geteilt: zwischen den Siegern Hitler und Stalin. - Die Zahl der jüdischen Bewohner Warschaus machte mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Stadt aus. Es entstand auch Kunst in den Ghettos: Werke, Bilder, gemalt z.B. von Kindern, aus denen die verzweifelte Sehnsucht nach der Geborgenheit eines Elternhauses sprach.

LG Annelie

01. Dez 2018

Nur die Trauer bleibt
...und Sprachlosigkeit

so intensiv bedrückend
in Bild und Text

LG Yvonne

01. Dez 2018

Danke, liebe Yvonne, für Deinen einfühlsamen Kommentar. Es entstand sogar Lyrik in den Ghettos, zum Beispiel im Ghetto Wilna:

"Bei uns ist 's ständig finster,
die Sonne scheint nie herein.
Eingehüllt im Dämmerlicht,
herrscht Trauer nur und Pein.
Die Welt versinkt im Dunkel,
ein Abgrund trennt vom Leben.
Selbst Frühlingsblumen welken,
wenn Mauern sie umgeben."

von Katriel Brojdo, Ghetto Wilna.
Das hat Katriel noch sehr, sehr milde beschrieben. Viele Fotos in diesem Band von Günther Deschner sind dermaßen schrecklich, dass man aufschreckt und schreien muss, wenn sie sich in die Träume schleichen.

LG Annelie

02. Dez 2018

Wohl wahr! War am Mittwoch noch unterwegs auf dem Gelände des ehemaligen KZ Niederhagen (Wewelsburg) - es bleibt erschreckend unfassbar und unbegreifbar - auch - wie solche intensive Literatur unter solchen Umständen entstand - und es MUSS weiter erzählt und erinnert werden! LG und eine gute Nacht Yvonne

02. Dez 2018

Danke, Yvonne. "Langsam hat sich eine charakteristische Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod verbreitet: Man ist nicht mehr beeindruckt", schrieb Emanuel Ringelblum am 26. Juli 1941.

LG und gute Nacht,
Annelie

02. Dez 2018

...und wie erschreckend aktuell er geblieben ist in unserer heutigen Zeit. Aber gut, dass es Menschen gibt, wie dich, die auf so eindrückliche Art daran erinnern - und so viel wissen...
LG Yvonne

01. Dez 2018

Erschütternd. Tiefe Betroffenheit , welche Worte jetzt, nach Alles umsonst?
Aufstehen. Nie wieder Krieg.
LG Ingeborg

02. Dez 2018

Liebe Ingeborg, ich danke Dir ganz herzlich für diesen Kommentar. Das waren nämlich meine letzten drei Worte einer Abschlussarbeit im Fach Deutsch, die ich in Form einer Interpretation zu Peter Huchels Gedicht "Der Rückzug" geschrieben habe. Sie wurde mit einer glatten "1" bewertet, und ich war sehr stolz darauf, zumal ich auf sechs bis neun DIN-A-4-Seiten keinen einzigen Rechtschreibfehler oder andere Fehler hatte. Sogar meine Handarbeitslehrerin, die nicht gerade begeistert von mir war, meinte, sie müsse mir übers Haar streichen. Zum Glück war ich nie gestylt oder onduliert, so dass die "Frisur" nicht leiden musste. Meinen Eltern jedoch war ich seit jenem Tage suspekt ;- )).

Liebe Grüße,
Annelie

01. Dez 2018

WOW, welch flammendes Plädoyer für den Frieden, gegen Krieg, Zerstörung und Vernichtung.
Liebe Annelie, Deine Zeilen stimmen traurig, nachdenklich und mahnen zurecht. Im Zeitalter der Digitalisierung wird der Krieg ein weiteres schreckliches Gesicht bekommen.
Es wird ganz leicht sein zu töten, dabei wird es sich für die Soldaten anfühlen, als spielten sie nur ein Videospiel.
Die bewaffneten Drohen sind erst der Anfang.
Vielen Dank für die wunderbaren, poetischen, mahnende, Zeilen, liebe Annelie.
Es kann nicht genug davon geben.

Herzliche Grüße,
Ella

01. Dez 2018

Liebe Ella, auch Dein Kommentar ist erschreckend. Ich mag mir das von Dir geschilderte Szenario nicht vorstellen. So ein Krieg wird leichter, schneller, womöglich gar unblutiger über die Bühne gehen, dass die Menschen vom Tod weniger mitbekommen, was noch verheerender sein könnte, als das Grauen mit eigenen Augen zu sehen. Mitleid würde eingedämmt, Krieg käme auf die Tagesordnung, weil sauberer, präziser denn je durchführbar. Wer möchte in so einer Welt leben. Vielen Dank für Deine wichtigen Worte.

Herzliche Grüße sende auch ich Dir - und schlaf gut,

Annelie

02. Dez 2018

Dein Beitrag geht unter die Haut, Annelie. Ja, alles umsonst und ohne Sinn, diese Opfer und Abermillionen anderer, es gilt für alle vergangenen und zukünftigen Kriege und alle damit zusammenhängenden Verbrechen, ich stand gestern wieder einmal erschüttert auf dem Frankfurter Hautfriedhof vor dem großen Gräberfeld der Bombenopfer der Luftangriffe vom Juni 1940 bis zum März 1945. Der Altstadtkern und die Innenstadt wurden damals fast vollständig zerstört, mehr als 180.000 Menschen wurden obdachlos, viele Tausende Kinder, Frauen und Alte verloren ihr Leben. Bei Kriegsende 1945 war die Stadt von etwa 17 Millionen Kubikmeter Schutt bedeckt. Leid kann man nicht gegeneinander aufrechnen, aber man muss, auch wenn es hoffnungslos scheint, unbeirrt weiter dafür kämpfen, dass dieser selbst zerstörerische Wahn, sich zu bewaffnen und aufzurüsten, um damit Geld zu verdienen, beendet wird; denn er wird im nächsten KRIEG, im nächsten Elend enden.

Liebe Grüße zu Dir - Marie

02. Dez 2018

Liebe Marie, Du hast den Krieg am eigenen (Kinder-)Leib erfahren müssen und genau aus diesem Grunde kannst Du ehrlicher berichten als Erwachsene. - Kinder, die das ganze Drumherum, das Weshalb, noch nicht verstanden haben, erleben alles viel unmittelbarer, ohne Wenn und Aber. Der zweite Weltkrieg war viel schrecklicher und hemmungsloser noch als der erste. In dem Buch von Deschner wird zum Beispiel gezeigt, wie ein Soldat mit ausdruckslosem Gesicht einen ausgemergelten toten Säugling an der Hand baumeln lässt, der Kopf des Säuglings, aufgesammelt von der Straße, hängt hinunter, der kleine Mund geöffnet, ein kleiner Engel mit Armen und Beinen wie Streichhölzer, Kinder mit todernsten, erschreckend traurigen, fassungslosen Gesichtern, Alte, Kranke am Gehweg, zerlumpt, die sich ineinander ducken, die nur noch sterben wollen ... der nächste Krieg würde noch schrecklicher werden ... hin und wieder ein verzagtes Lächeln im Elend, über zwei, drei Kartoffeln z. B., ein Lächeln, verschämt, als dürfe es nicht sein ... "Der Einbruch des streng technischen Denkens habe den Machtrieb nicht gemildert, sondern emanzipiert und brutalisiert. - Fünfzig Kriege und kriegsähnliche Zustände seit Ende des 2. Weltkriegs zeigten doch wohl die Stärke des Druckes kollektiver unbefriedigter Triebbedürfnisse", las ich - und: "Es ist kaum zu bestreiten, dass die nationale Verteidigung eines der größten, wenn nicht sogar das größte Geschäft in den USA geworden ist. Wenn es heißt, die amerik. Firmen hätten eine erstaunliche Fähigkeit entwickelt, von einer Rüstungsproduktion sich auf eine andere umzustellen (z.B. von Flugzeugen auf Raketen), aber ihre Versuche, mit ihrer Rüstungstechnologie sich auf zivile Produkte und Märkte umzustellen, seien gescheitert, so erinnert das auffällig an die unbremsbare Mobilisierung der Armeen des Deutschen Reiches 1914" ("Die Idee des Friedens und die menschliche Aggressivität", Buch, geschrieben von Alexander Mitscherlich). Danke, Marie, für Deinen außerordentlich wertvollen Kommentar.

Liebe Grüße zu Dir und einen schönen 1. Advent,
Annelie

02. Dez 2018

Und die Metzelei weltweit findet kein Ende.
Wie nur können Menschen das ertragen?
Die einen schauen darüber hinweg,
die anderen zerbrechen oder klagen.

Liebe Annelie, möge endlich Mitgefühl obsiegen,
dann hört der Wahnsinn auf, sich zu 'bekriegen'.

Liebe Grüße zu Dir,
Monika

02. Dez 2018

Danke, liebe Monika, für Deinen sehr guten Kommentar. Mögen das Mitgefühl und der Verstand obsiegen. Aber ich habe nach der Lektüre des Buches "Die Idee des Friedens und die menschliche Aggressivität" von Mitscherlich wenig Hoffung, und da ich weiß, dass Du hochintelligent bist, schreibe ich Dir: Die Aggression ist ein Trieb, etwas Unsprüngliches, aber nur vermeid- und besiegbar mit Verstand. Verstand hat nichts mit Können oder Bildung zu tun. Ein hohes Aggressionspotential kommt in allen Gesellschaftsschichten vor. Aus diesem Grunde sollte man stets mit dem Schlimmsten rechnen. Nur wessen Güte und Liebe, Lebenserfahrung, Gelassenheit die eigene Aggressivität besiegt, ist in der Lage, in Frieden zu leben. Aggressionen, die gegen ihn selbst gerichtet sind, tangieren einen solchen Menschen nicht mehr. Verheerend wirkt sich die kollektive Aggressionsmeisterung, der Gehorsam, aus, wie uns das Dritte Reich gezeigt hat, das Aggressionen in den Menschen freigesetzt hat, die so noch nie erlebt wurden. Angst, Unzufriedenheit und Neid erhöhen das Aggressionspotential der Menschen gewaltig. Keine noch so fürsorgliche Gesellschaft kann uns die Aufgabe der Aggressionsmeisterung abnehmen. Dazu gehört die Überwindung des Wunsches, den vermeintlich Schwächeren zu quälen und in seinem Selbstwert zu erniedrigen. Den meisten Menschen fällt es wohl nicht leicht, wie schon Freud schrieb, auf die Befriedigung ihrer Aggressionsneigungen zu verzichten; sie fühlen sich nicht wohl dabei. Traurig, aber wahr, liebe Monika.

Einen schönen Restadvent für Dich und Khalessi,
Annelie

02. Dez 2018

Selbst der Glaube an einen Gott, der uns in seiner - gütigen - Hand hält, kann helfen, Angst in Verbindung mit Aggressionen abzubauen, liebe Monika. Selbstverständlich aber meine auch ich, dass wir uns wehren sollten, wenn man uns "fertigmachen" will, aber mit Gelassenheit und nicht mit den gleichen gemeinen Mitteln - in der Ruhe liegt die Kraft.

LG Annelie

02. Dez 2018

Mit Deinen Ausführungen bin ich unumwunden einverstanden, liebe Annelie. Ja, und ohne Hoffnung gibt es kein lebenswertes Existieren. Ach Annelie, Du schreibst so seelenvoll. Möge Dir/uns das erhalten bleiben.

Liebe Grüße,
Monika

02. Dez 2018

Liebe Annelie,
mit ganzer Seele und Herzblut (und höchstem Können, aber das Erstere ist wichtiger bei diesem Thema) hast du es geschrieben, und in meine Seele ist es rückhaltlos und heftig eingedrungen!
Deine Leidenschaft für friedliches Umgehen aller Menschen miteinander teile ich.
Zur DDR-Zeit habe ich als Leutnant (!) den weiteren Wehrdienst abgelehnt mit der Begründung, nicht "weiter das Morden erlernen" zu wollen, was zur Verhaftung führte.
Die edle, hohe Position eines Pazifisten teile ich nicht, denn irgendjemand musste z.B. unter anderem auch dem Verbrecher Hitler mit Mut entgegen treten. Leider oder zum Glück?
Lieber und achtungsvollster Gruß an dich!
Uwe

03. Dez 2018

Danke für Deinen Kommentar, lieber Uwe. Dem Verbrecher Hitler hätte man bereits viel früher entgegentreten sollen. Da die Nazis jedoch kurzen Prozeß mit Widersachern gemacht haben und dabei außerordentlich brutal vorgingen, ist die allgemeine Angst der Deutschen, die vor der SS und SA herrschte, begreiflich gewesen. Nicht jeder hatte den Mut eines Georg Elser, einer Sophie Scholl etc. Für Judenverräter und für den Verrat von Menschen, die den Juden geholfen haben, kann ich kein Verständnis aufbringen. Aus all diesen Gründen ist ja auch der Aufruf des Wolfgang Borchert an die Menschen aller Nationen, "Nein" zum Krieg, zur Vernichtung eines ganzen Volkes, zur Vernichtung eines Menschen überhaupt,zu sagen, so wichtig. Dass Du (als Leutnant) den weiteren Wehrdienst abgelehnt hast, ist sehr mutig gewesen. Davor habe ich großen Respekt. Ich hoffe, dass Du nicht allzu lange inhaftiert warst und leiden musstest. Es ist gut, dass die Amerikaner und Russen uns von den Nazis weitestgehend befreit haben und Zeuge von deren Verbrechen wurden, bevor diese Bestien alle Beweise ihrer grausamen Taten vernichten konnten.

Liebe Grüße an Dich,
Annelie