Gefährlicher Sommer (Teil 8)

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

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Immer sind es Bäume die mich verzaubern
ihr Laub flüstert mir grüne Geschichten
Jeder Baum ein Gebet, das den Himmel beschwört
Grün ist die Farbe der Gnade
Grün ist die Farbe des Glücks
(Rose Ausländer, Die Bäume)

Mit Konny im Kräutergarten

Ich raste die Treppe hinunter und in den Vorraum hinein. Ein süßlich­ vergorener Geruch von Milch und Katzen, vermischt mit Duft des Lavendel-Parfüms, welches die edle Spenderin umgab, waberte in der Luft.
Lenis Schütz­linge hatten die Milch schon aufge­schlabbert. Offenbar waren sie immer noch hungrig, denn sie strichen ihrer Wohltäterin schmeichelnd um die Beine. Nur zwei sehr alte Katzen mit tiefschwarzem Fell und wei­ßen Flecken auf dem Rücken fauchten Leni unentwegt und geradezu hasser­füllt an. Ich hatte dieses Verhalten Leni gegenüber schon im Vorjahr bei einigen anderen Samtpfoten vom Hof beob­achtet und kam einfach nicht gegen meine Gedanken an, liebe Christine: Mir fielen sofort die Tierka­daver ein, die man vor einigen Jahren unter Lenis Schlaf­zimmerfenster entdeck­t hat. Da­mals waren wir ja noch die reinsten Kinder und stellten keine großen Überlegun­gen an. Wir hatten uns beide gerade erst kennengelernt – im unwiderstehlichen Kirschgar­tenparadies der Gnädigsten, wie dir hoffentlich noch in bester Erinnerung ist.
Die Katzen waren mit einer Eisen­stange getötet worden, und auf dem Hof und im Dorf wurde gemunkelt, dass nur Leni als Täterin in Frage käme.
Das Gerücht, sie habe sich wegen des stundenlangen, ununterbrochenen Mauzens und Miauens, der großen Nacht­musik nämlich, die regelmäßig in den späten Abend­stunden stattfindet und bis zum heutigen Tage andauert, um den wohlver­dienten Schlaf gebracht gefühlt, machte in Lachau die Runde. Die treue Gutsperle sei in höchster Wut die Treppen hinun­tergeschlichen und habe auf die armen Tiere ein­geschlagen. Leni be­stritt vehe­ment, mit den mehr als unge­wöhnlichen Tiermorden irgendetwas zu tun zu haben.
Ich verscheuchte mit Mühe und Not drei tückisch aussehende Katzen, die buckelten und fauchten und Leni wie wild anzischten, als wollten sie zum Sprung ansetzen, um ihr das Gesicht zu zerkratzen.
„Blöde Viecher“, murmel­te Leni. „Ich weiß wirklich nicht, wes­halb ich die Biester jeden Morgen füttere. Übrigens ... guten Morgen, Katja.“
„Guten Morgen, Leni!“, rief ich fröhlich. „Es ist ja erst sieben und bis ich mein Zucker­ei schlür­fen darf, dauert es noch eine gute Stunde. Wenn du nichts dagegen hast, be­ginne ich gleich mit dem Unkrautjäten. Später ist es viel zu heiß da­für.“
„Danke, Katja“, sagte Leni. Man sah ihr an, wie sehr sie sich darüber freute.
„Ach Katja, sollte dir eine dieser dreisten Wühlmäuse über den Weg laufen, darfst du ihr gern eins überharken; ich bitte dich sogar darum. Aber nicht zu knapp, hörst du? Mit bestem Gruß von Leni. Diese Aasgeier haben im Frühjahr wie die Vandalen in meinem Kro­kusbeet gewütet. Bis auf fünf jämmerliche Exemplare haben sie alle Pflanzen gefressen, diese Kanaillen.“
Ich griente und machte mich auf den Weg. Es duftete schon von weitem nach Basilikum und Rosmarin. Ein herzhaftes Aroma! Dieser kleine Kräutergarten ist Lenis ganzer Stolz. Sie hat ihn in ihrer knapp bemessenen Frei­zeit an­gelegt, ganz allein, ohne frem­de Hilfe. Auf den Beeten wachsen Kapuzi­nerkresse, Schnittlauch, süß duften­der Majoran, Dill, Borretsch und viele andere Kräuter, deren Namen ich längst vergessen habe. Später hat Opa die Beete eingezäunt und Wicken vor das Gatter gesät: ein Blütengestöber, das in sämtlichen Farben leuch­tet. Zwischen den Holzpfählen ragen ein paar Sonnenblumen mit tellergroßen Köpfen empor; sie sind fast so hoch wie der Zaun.
Der schöne Garten! Du solltest ihn jetzt mal sehen, liebe Christine. Überall sprießt das Un­kraut. Die Beete sind in einem beklagenswerten Zustand, völlig verwahrlost und überwuchert von kniehohem Ackersenf und Brennnesselstau­den. Die Wege dazwischen sehen wie brach liegende, jahrezehntelang vernachlässigte kleine Kuhweiden aus, mit grüngelben Disteln, halb­welkem Klee und verblühtem Löwenzahn. Bei einigen Pflanzen saßen die Wur­zeln so tief, dass ihnen mit der Hacke nicht mehr beizukommen war. Ich brauchte dringend einen Spaten. Konny kam wie gerufen.
„Hallo, Katja. Soll ich dir helfen?“ Hannes' netter Cousin sah mich fast flehentlich an.
„Gern Konny, hol mir bitte einen Spaten aus dem Geräte­schuppen. Du kannst dir auch gleich eine Hacke mit­bringen“, seufzte ich er­leichtert.
„Okay!“, rief Konny, „bin gleich wieder zurück“, und war im nächsten Moment bereits im Park verschwunden.
„Wo hast du Kora und Hannes gelassen?“, fragte ich, nachdem er sich das kleine Petersilien­beet neben dem Sommerspinat vorgenommen hatte.
„Ach, die!“ Er machte eine verächtliche Hand­bewegung.
„Die schlafen noch.“
„Stehst du jeden Morgen so früh auf?“, wollte ich wissen.
„Aurora Musis amica est“, deklamierte Konny, statt eine vernünftige Antwort zu geben. Es hörte sich sehr pathe­tisch an.
„Lass mich raten“, überlegte ich und strengte meinen Grips an.
„Morgenstund' hat Gold im Mund, stimmt 's?“
„Frei übersetzt, schon“, gab Konny bereit­willig Auskunft, ohne dabei seine Arbeit zu unterbrechen.
„Korrekter wäre: „Die Morgenstunde ist den Musen freundlich gesinnt.“
„Siebte oder achte Klasse?“
„Bin in die Untertertia ge­kommen. Und du?“, fragte Konny und sah mich ge­spannt an.
„Dito“, gab ich kurz zur Antwort. Ich verspürte nicht die geringste Lust, mich auf Diskussionen über Zeugniszensuren einzulassen; aber glücklicherweise schien Konny, der vermutlich Klassenbester war, weit davon entfernt zu sein.
Er ließ seinen Blick über die Beete schweifen und stellte fest: „Die Erde ist viel zu trocken. Gibt es hier keine Bewäs­serungsanlage?“
„Wohl kaum“, sagte ich. „Und Leni ist mit der Gießerei völlig über­fordert. Herr Kröger hat wohl auch keine Zeit dafür?“ Ich sah ihn fragend an, während mein Spaten gegen die fiesen Mammutwurzeln der Löwenzahnpflanzen kämpf­te.
Mein Onkel Axel ist abends so müde, dass er wie tot ins Bett fällt“, sagte Konny mit trauriger Stimme, als würde er Hannes' Vater aus tiefsten Herzen bedauern. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und bezweifelte, ob ihm das heute Abend auch gelänge. Musste er sich doch vor­her, wollte er nicht nackt schla­fen, mit Auftrennarbeiten auseinandersetzen.
Möglicherweise hat er sogar einen zweiten Schlafanzug, Katja, raunte mir Leni spöttisch zu. Ich sah mich erschrocken um. Keine Leni weit und breit. Ich hatte mal wieder fantasiert. Vielleicht sollte ich ihm für alle Fälle noch eine Schere auf den Nachtschrank legen.
Konny sah mich irritiert an und fragte: „Was gibt es denn da zu grinsen, Katja?“
„Ach, nichts. Ich musste gerade an et­was Lustiges denken“, versuchte ich ihn zu be­schwichtigen. Er schüttelte ver­ständnislos den Kopf.
„Schau

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