Ganz leis hört‘ ich ein sanftes Klingen
von fernher an das Ohr mir dringen.
Es rief: „O zügle deinen Schritt!
Komm, bück‘ dich, pflück‘ mich, nimm mich mit!
Du sollst es wahrhaft nicht bereuen,
denn hoch will ich dein Weib erfreuen!“
Am Boden wuchs ein Blümelein,
ganz duftig, weiß und zart und rein.
„Ach, Blümchen, lieblich ist dein Werben,
doch brech‘ ich dich, so musst Du sterben!“
Drauf sprach‘s: „Das ist mir einerlei!
Ich sterb‘ in jedem Monat Mai!“
Drauf läutete es traut und hell.
Ich pflückte es und trug es schnell
zu meiner Liebsten heim ins Haus.
Die rief mit einem Jauchzen aus:
„Dies duftend Maienglöckelein
soll Zeichen ew‘ger Lieb‘ mir sein!“
Das Glöckchen hatte nicht gelogen.
Bin nochmal in den Wald gezogen
und grub dort Blatt und Wurzeln aus,
dann pflanzte ich sie ein beim Haus.
Nun blüht es weiß und wunderbar
im Maien lieblich Jahr um Jahr.
Geschrieben am 8. Mai 2019