(Übersetzung und Nachdichtung von Kapitel I, V,VI,VII und VIII zu „THE CRY OF THE CHILDREN“ von Elizabeth Barret-Browning – 1843 -)
Den Schrei der Kinder – Brüder – hört ihr ihn,
Eh' noch der Sorgen Jahre nah'n?
Es neiget sich manch' junges Haupt zur Mutter hin,
Es hält nicht ein der Tränen Bahn.
Die jungen Lämmer blöken munter auf den Wiesen,
Manch' junger Vogel fröhlich zirpt im Nest,
Rehe der Schatten Spiel genießen
Und junge Blumen neigen sich nach West ...
Aber die Kinder, Brüder, ach die kleinen,
Gefesselt von der Trauer Bande,
Während der ander'n Spiele bitterlich sie weinen
In unser'm, in der Freiheit Lande.
Ach, Kinder, Kinder, die zum Tode streben,
Als Bestes, was noch zu erringen,
Das Grabeskleid um ihre Seelen weben,
Damit die Herzen nicht zerspringen.
Kommt Kinder, strömt aus kohlenschwarzen Mauern
Und singt, wie es die kleinen Drosseln machen.
Pflückt Primelsträußchen euch und höret auf zu trauern,
Genießt die Herrlichkeit, das Lachen!
Doch Millionen Kinder, alle, schreien aus der Nacht:
„Lasst uns in uns'rer Dunkelheit in Frieden!
Sind Eu're Primeln nicht dem Unkraut gleich im Schacht?
Euer Vergnügen sei nicht uns beschieden!“
„Ach“, ist der Kinder Wort, „an jedem neuen Morgen
Können wir weder laufen, springen, wir sind Sklaven,
Und wenn wir uns um irgendeine Wiese sorgen,
So ist 's nur, um zu stürzen, um zu schlafen.
Wir zittern, Schmerzen uns ein Bücken fast verwehren,
Wir stürzen auf's Gesicht, versuchen wir zu gehen,
Und uns're Augenlider, uns're welken, schweren
Lassen die grellste Blume fahl wie Schnee uns sehen.
Und dennoch schleifen wir tagtäglich uns're Last,
- erschöpft, gequält – durch kohlenschwarze Stollen.
Kein gutes Wort, Fabrik nur, keine Rast!
Es rollen Räder, rollen, rollen …
Sie lärmen, dreh'n sich, dröhnen tagelang,
Luftwirbel die Gesichter streifen,
Bis uns're Herzen, Körper, vor Erhitzung bang'
Nur noch ein Taumeln sehen und begreifen.
Die Wände drehen sich auf ihren Plätzen,
Der Himmel ausdruckslos im hohen Fenster hängt,
Lichtkegel wirbelnd eine Wand benetzen
Und jede Fliege scheint zu taumeln, die sich zum kargen Lichte drängt.
Es dreht sich alles, wir mit allem,
Und Tag für Tage nur die Räder dröhnen.
Ja, ein Gebet im Wahnsinn kann uns nur gefallen:
O Räder, heut' nur lasset uns versöhnen!“
Ja schweigt! Lasst ihnen andres hören,
Für einen Augenblick nur habt Erbarmen.
Hört auf, die schwache Jugend zu zerstören,
Lasst sie die Hände halten, sich umarmen!
Gebt ihnen das Gefühl, dass dies metallisch Rühren
Nicht das ist, was Gott uns einst wollte geben.
Lasst ihnen ihre eig'nen Seelen spüren
Und nicht den Zwang, dass nur für Euch sie leben!
Noch Tag und Nacht die Räder dröhnen,
Des Lebens Sinn sie weiterhin berauben …
Der Kinder Seelen, die ein Gott zur Sonne ruft, um zu versöhnen,
Im Dunkeln spinnen, nur an Dunkles glauben ...
Die rein wörtliche Übersetzung aus der stellenweise schon recht historischen englischen Sprache war seinerzeit - im Herbst 1967 - eine arbeitsintensive Beschäftigung. Zudem hatte mich noch der Ehrgeiz gepackt, eine deutschsprachige Nachdichtung zu versuchen: so exakt wie möglich, so frei wie nötig - zumindest konnte ich (auch durch die Auswahl entsprechender Kapitel) der Intention des Originals ziemlich gerecht werden.