Die Last der Abschiedstränen
Nimmt auf harten Polstern Platz
Am Bahnsteig weint und wimmert
Was uns läuten sollte ...
Erschöpften Mundes spricht ein
Casanova seinen letzten Satz
Die allerletzte Lüge aus, bevor die
Fahrt beginnt: Ihr flammt die Wange
Tiefbeschämt wankt sie nach Haus ...
Wie man so vorwärtskommt
Wenn einem grad das Herz zerbricht ...
Inmitten Lärms, inmitten ruheloser Zeit
Ästeln die Schienen sich … wohin, du
Unbeugsamer Baum aus Stahl? –
Kein Ruß, kein Rauch, kein Wölkchen
Das sich spiegelt unterm Bahnhofsdache
Kein flinker Fuß gerät in eine Regenlache …
Nur hin und wieder sieht man zwei,
Die sich umarmen, inniglich ...
Kein Rattern – nur ein fernes Rauschen
Im Gleisbett schläft die Königin der Lüge
Um sich auszuruhn. Ein Hauch von Weh
Liegt in der Luft, als dürften dort, wo
Schnelle Züge gleiten, nirgendwo mehr Blumen
Blühn, und nächtlichschwarz zerplustert sich
Ein Spatzenchor und stiebt davon
In trauriggrauer Luft ...
Aus Schattenreichen in den Frieden
Heimgekehrt, im Aug noch Wüsten
Der Gewalt, springt aufs Perron des
Heimatlichen Bahnhofs ein Soldat
Ankunft und Abschied ...
So geistert der Wahn
Von Schwelle zu Schwelle ...
So reist auch das Jahr. –
Ach, bleib doch …
Gehaucht, nicht neu, leicht oder unter Tränen
Zur Stelle: drei Worte, flügellahm ...
Besonnter Bahnsteig – über den
Schienenstaub wandern Schatten.
Der Zug läuft ein: ein sanftes Kreischen
Seelenfern und die Taube fliegt auf
Stille – nur einen Gedanken lang eh
Die Türen sich öffnen und verwirrend
Gestammel aufkommt, unser Babel ...
Und seht!, da schwankt Anna …
Klopfenden Herzens geradewegs
Auf die Bahnstation zu, um im
Sarg in die Stadt zurückzukehren.
Anna: Gemeint ist Anna Karenina, gleichnamiger Roman von Leo Tolstoj, der seine Protagonistin, die gesellschaftlich geächtet wurde, unter den Rädern eines Zuges sterben lässt.