Es war im Dorf ein alter Brauch:
Zum Sonntag soll alles sauber sein.
Der Mann spritzt mit dem Wasserschlauch
den Pflasterweg zum Eingang rein.
Die Frau die Fensterscheiben putzt,
den Boden mit dem Schrubber schrubbt,
die Hecke mit der Schere stutzt
und aus dem Kinn zwei Haare zupft.
Die Nachbarn auf der andern Seit'
sind neu und kennen nicht den Brauch.
Sie gucken eine kurze Zeit
und sagen sich: "Das tun wir auch!"
Der Mann mit Schwung und Besen fegt
den Gehsteig seines Teils der Straß'.
Die Frau, mit Kopftuch, aufgeregt,
wischt rein ihr reines Fensterglas.
Ihr Besen-Mann schickt einen Blick
zu seinem Nachbar vis-à-vis.
Der schickt ein Lächeln ihm zurück,
es sind die beiden noch per Sie.
Der Nachbar mit dem Schlauch, er winkt
zu seinem Sohn und sagt: "Mein Sohn,
auch wenn es für dich komisch klingt:
So funktioniert Integration!"
© Willi Grigor, 2016
Aus dem Leben
In Anlehnung an Kindheitserinnerungen aus dem Dorf Segringen bei Dinkelsbühl nach dem Krieg, in dem unsere Familie und andere Flüchtlinge eine temporäre Bleibe bekamen.
Meine Eltern und die anderen Flüchtlinge waren stets auf eine gute Nachbarschaft bedacht.