Als Nachbarn hatten A und B
sich schon tausendmal gesehn,
man hob die Rechte in die Höh
und konnte wortlos weiter gehn.
So winkte man sich viele Jahre
von weitem zu, wenn man sich sah,
Gespräche waren Mangelware,
es war halt nie ein Thema da.
Beide waren so verschieden,
wie es nur bei Nachbarn geht,
und man hatte sich gemieden,
weil einer liegt und einer steht.
A maloocht in Haus und Garten,
und beim Radfahrn im Akkord
sowie in hundert andern Sparten,
muss ständig rackern undsofort.
Vor Mitternacht kann er nicht schlafen,
weil er für morgen Pläne macht,
die er zwar nie erfüllen kann,
und Frühstück gibt es um halbacht.
Dann heißt es streichen, hämmern, feilen,
sägen, klopfen, schleifen, hobeln,
schneiden, harken, sich beeilen,
kratzen, schippen, kleben, knobeln,
und ernten, graben, pflanzen, sähen,
messen, bohren, schrauben, schmiern,
gießen, düngen, hacken, mähen,
bürsten, schmirgeln, repariern.
B dagegen liebt die Ruhe
und kein hektisches Getue,
jahrzehntelang hat er geübt,
wie sichs in der Sonne liegt.
Er ist mit Buddha fast per du,
sieht Pflanzen gern beim Wachsen zu,
nimmts mit dem Aufstehn nicht genau
und sieht so gern ins Himmelblau,
liebt Schlafen, Lesen, Wellness tanken,
und freien Lauf freier Gedanken,
fühlt sich rundum pudelwohl
als selbstverliebter Ruhepol,
verschränkt die Arme hinterm Kopf,
sieht Nachbar A als armen Tropf,
und wenn er ihn beim Werkeln hört,
fühlt er sich regelrecht gestört
(wie kulturlos ist ein Mann,
der nur bohrn und hämmern kann!).
Und irgendwann kam man sich näher,
wie geht es, war die Standardfrage,
muss ja, sagte dann der andre,
so vergingen Jahr und Tage.
Man sprach zum Beispiel übers Wetter:
Ist das nicht wieder echter Mist?
und war da core, dass dieser Sommer
eher nass als trocken ist.
A plant schließlich voller List,
B mal richtig vorzuführen:
wenn der erst in den Bergen ist,
soll er die faulen Knochen spüren,
und wie verrostet er schon ist,
und wie man fit bleibt durch Trainieren.
Ist nicht gute Nachbarschaft,
zum Beispiel zwischen A und B,
erst, wenn man was gemeinsam macht?
So schlägt er eine Bergtour vor,
und Nachbar B, der nickt,
wir fahrn nach S. und wandern dann
auf getrennten Stolperpfaden
drei Stunden himmelwärts bergan,
Treffpunkt morgen früh halb acht!
Nachbar B sagt: Abgemacht!
A kam zwar ohne Seil und Haken,
aber fast in Profitracht,
mit Rucksack, Kompass, Wasserflasche,
hat B an sowas auch gedacht?
Hatte der natürlich nicht,
sondern kam mit Freizeithose,
mit Regenschirm und Mokassins,
Hängetasche, Brötchendose.
In S. gings pünktlich an den Start
bei Sonnenschein und Wind und Regen,
so eine Bergtour, die ist hart,
A fühlt sich haushoch überlegen.
*
Nun wartet B drei Viertelstunden,
mit Pils und Wurst beim Brockenwirt
und ist ernsthaft voller Sorge,
A hätte sich vielleicht verirrt.
Schließlich kam der angekrochen,
atemlos und hoch erhitzt,
mit Wadenkrampf und müden Knochen,
fix und fertig, nassgeschwitzt.
B jedoch hat Blut geleckt
und fühlt sich froh und munter,
er hat den Hang zum Berg entdeckt
und will nicht wieder runter.
Die Tour hat ihm so gut gefallen,
das hätt er vorher nicht gedacht,
am liebsten tät er‘s gleich nochmal,
soviel Spaß hats ihm gemacht.
A muss daheim seit vielen Tagen
sich mit Muskelkater plagen.
B ist die Bergtour gut bekommen
und hat an Achtung zugenommen.
Der ewige Mechanikus
bohrt und schraubt, weil er es muss,
wer Ruhe liebt und Müßiggang,
dessen Leben wäret lang.
Jetzt schätzt man die Gemeinsamkeit,
A hat die Uhr und B die Zeit.
2012