Ans Licht bringt der Frühling
die letzten Spuren des Winters ...
Er putzt die Augen alter Frauen
und gießt Sonne über das Pergament
ihrer Taubenhände: Hände, aus
denen das Leben gleitet wie Porzellan ...
Ich will, dass eine mir übers
Haar streicht und mich segnet;
ich möchte meinen Kopf in ihren
toten Schoß betten, greinen wie
ein Säugling, und „Mutter“ schluchzen.
Ich möchte ihre krummen Rücken
aufrichten und flüstern: „Mädels, gebt
euch nicht auf und haltet euch gerade.“
In der Stadt taumeln Seifenblasen aus
dem berstenden Jahresring des Frühlings.
Sie schwanken zwischen Enttäuschung
und Melancholie. – „Sie zerplatzen ...
wie dein letzter Traum von wahrer Liebe“,
flüstert der Mai, und ich ziehe meinen
Kopf ein und das abgelegte Winterfell
über beide Ohren.
Abends im Park entferne ich die guten Seiten
aus meinem Buch und nehme die schlechten
in Sicherheitsverwahrung. Die Bäume ignorieren
mich und beginnen ein ernstes Gespräch
über Liebe auf den ersten Blick:
„Sie ist ungefähr so zuverlässig wie eine Diagnose
nach dem ersten Händedruck“, ächzt eine alte Eiche
voller Verachtung.
„Besser, in einen sauren Apfel zu beißen, als
mit einer weichen Birne rumlaufen“, säuselt
daneben die Weide und schüttelt kleines Getier
aus dem grünen Haar in den Fluss.
„Ja, ja, die beste Droge ist immer noch
ein klarer Kopf“, mischt sich Mutter Erle ein
und lässt ihre kleinen Kätzchen hüpfen.
Ich halte mich aus allem raus und summe
ein Kinderlied. Ein alter Traum blitzt auf:
Die Fahrt ins Blaue der Nacht kann beginnen.