Unter dem Sonnenschirm

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ich weiß, dass ich nichts weiß, höre ich sie sagen
ich mache mich routiniert ganz klein bei wichtigen Fragen . . .

wann fand der Urknall statt
wann trat 'homo sapiens' ins Rampenlicht
wie viele Menschen werden nicht satt
ist Empathie nicht einzig höchste Pflicht

alles Mainstream,
keiner kann sich entziehen
unsere Zeit ist einfach nur geliehen

denke nie tief, denke positiv
kritisch sein macht depressiv
intellektuell sein ist unbequem
allein der Anspruch ist vermessen
Klugheit wird zum lästigen Ödem
was heute gilt, ist morgen vergessen

nichts hat Bestand für Ewigkeiten
ein Vegetieren nur noch in Vergänglichkeiten
ich weiß, dass ich nichts weiß
das klingt doch nett
das Problem ist, dies Bekenntnis wirkt stets so kokett
in Wahrheit hält sich jeder für besonders klug
verfällt faul und selig dem Selbstbetrug

des Alltags platte Sprüche verströmen Aasgerüche

der Mensch mit seiner überschaubaren Lebensfrist
kann wohl nur Leben mit dem Wahn,
dass er besser ist -
als das, was er realiter ist –
konnte ich nie verstehen
musste nur in den Spiegel sehen
mich beschäftigen mit Geschichte, mit Katastrophen,
mit den oft klugen Gedanken weißer alter Philosophen

und allmählich nur wurde der Blick mit etwas Glück gnädig frei
es ist, wie es ist
und es sei, wie es sei

non scimus, wir ahnen nur
sind Primatengeschlecht durch und durch –
ganz pur

warum fällt wahre Demut so schwer?
sie wird doch allem gerecht
ist sie echt echt
ist es wirklich so schwer - in den Spiegel zu sehn
dort in den eigenen Augen auch die Verzweiflung zu sehn
wir sind sterblich,
diese Banalität provoziert nur
ein emotionsloses 'Na Und ' pur

bin dann mal weg, raus aus irdischem Dreck
verkünde mit berufenem Munde
den Anbruch der letzten Stunde

vergehe zu Asche, werde zu kosmischem Staub
genau wie jedes Baumes einst so grünes Laub
und alles nicht tangiert
von allem woran ich glaub'
meine Augen sind stets blind,
meine Ohren ewig taub . . .

und ich kokettiere nie mit meinem wahren Sein
stehe deswegen oft isoliert
und meistens völlig allein

Schmerz erwärme mein Herz . . .
von der Septime zur Terz
werde sonst wirklich
zum Solipsisten
Islamisten oder Christen

kreuziget mich einfach auf Golgatha
lasst mich vorher noch beten zu Ra
dann gehe ich mit Lucy endlich flanieren
werde mich nie mehr genieren –

mit etwas Glück
hinterlassen im Sand
eine Spur
das erscheint mir des Kreises
Quadratur

ich bin-
weiß nicht woher-
wohin

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Interne Verweise

Kommentare

13. Okt 2018

Das stimmt zurecht nachdenklich...

Kokettieren im Vergessenen
vermessen scheint zu wissen
lebendig jeder Wahn
im AHNEN große Spitze
was WAHR war längst versetzt
versessen wie verweht –
vor dem was wie im SELBST
besteht was ist wird sein
allein --- wer weiß
LG Yvonne

14. Okt 2018

Best Ulli,
vorerst musste ich grinsen: Du bei deinem Namen betitelst ein Gedicht mit "Unter dem Sonnenschirm" (Übrigens im Nachhinein ein gut erwogen er Titel, nicht, dass du denkst, es würde nicht bemerkt),
dann machte das Gedicht recht traurig, bis endlich die, auf die sinnlosen Bemühungen um Verbesserung der Weltzustände, die vielleicht einzige, richtige Antwort folgte:
"...dann gehe ich mit Lucy endlich flanieren
werde mich nie mehr genieren".
Das gehört durchaus, wie die gescheite Yvonne so toll (hier über anderes) schreibt, zu "dem, was wie im SELBST besteht..."
LG Uwe

14. Okt 2018

Hallo Uli
so manche Zeile liest man, um in dem Moment beschämt festzustellen: er hat Recht.
Hinterher ist man recht ernüchtert. Da fallen mir Wissenschafts-Zeitungs-Artikel ein , die sagen; "Das Gehirn macht die Seele" , und welch mit dem Tenor: Die Angst vor der eigenen Vergänglichkeit und der eigenen Unwichtigkeit erschafft den Mythos des "ewigen Lebens bzw. der "Wiedergeburt".
Und dann der Schluss den du ziehst:
"ich bin-
weiß nicht woher-
wohin"

Ja. so geht es uns allen wohl. Wissen tun wir nichts, wir können leider nur glauben oder vermuten. Ob da Leben, ob die Erde ein besserer "Ort" wäre , wenn wir wüssten woher und wohin?
Keine Ahnung. Ich persönlich sehe den Wert in der Begrenzung. Würden wir ewig in diesem unserem Körper auf Erden leben, wäre das Leben nichts wert, denn wir müssten keine Entscheidungen, keine Wahlen treffen.
Dein Gedicht sorgt für tiefes Nachdenken und/oder innere Aufruhr - das ist toll.
Liebe Grüße,
Anouk

15. Okt 2018

Danke Anouk für deine weitgehende Zustimmung.
'Realismus' (? ) bedeutet zum Glück nicht Verzweiflung.
Da ist er wieder, der Sisyphos von Camus.
Akzeptanz unserer Endlichkeit ohne Verweis auf Transzendenz
ist wohl die stärkste Haltung, die wir einnehmen können.
Ich übe daran.
LG
ulli