An einem Tag im längst vergessenen
Dezember '63, als in der Früh ich aus
Der Türe trat … in einen Morgen, der nicht
Daran zweifeln ließ, dass Winter war:
Mit Schnee, der sich vor meine Füße warf.
Und dankbar und verstohlen küsste ich
Die weiß vereisten Spitzen auf den Zweigen
Jenes Mehlbeerstrauchs: ein hoher wilder
Heckenwuchs, der kleine rote Früchte trug
Unter dem Glanz des Junimonds: geliebter
Vagabund der Nacht.
Ich knirschte durch den Schnee, bog um die Ecke
Und in jene Straße ein, geschichtsträchtig und maritim
„Gorch Fock“ genannt, ein Segelschulschiff, das
Mich in die liebe Penne trug; ich schlief noch halb
Und träumte mich durch altvertraute Straßen:
Baumarme Mietskasernen ohne Vogelwolken,
Vertraute Häuser, darin Menschen lebten, die ich
Liebte und jeden freundlich grüßte, der mir in die
Quere kam und mir ein gutes Wort mitgab fürs Singen:
Schön weihnachtlich im Kerzenschein der ersten Stunde.
Von weitem sah ich dich, kamst mir entgegen, lächelnd und
Mit nackten Händen in der dunkelroten Trachtenjacke, chic,
Doch viel zu dünn für echte Winter, die es kaum noch gibt
Auf Erden. Stets beugtest du dich, höher als 1,80 längst, zur
Liebevoll umarmenden Begrüßung zu mir runter, selten haben
Wir gestritten … fragtest, ob ich das Zweiglein samt der Kerze
Hätt vergessen, was ich verneinen konnt, lag alles in der
Tasche mit den schweren Büchern, gesinust und gekosinust,
Veralgebrat, verknüpft und potenziert, verwurzelt und auch
logarithmitiert … mein Weh und Ach!
Und drinnen träumten wir noch eine gute Stund – im dunklen
Klassenzimmer, leicht erhellt vom Kerzenschein, schwörten
herauf den, der vom Himmel kommen wollt, verbreiten gute
Mär. Schneeflöckchen waren längst schon da samt Tochter Zion.
Wir pulten an den weichen Kerzen rum, sangen Kling Glöckchen,
klingelingeling (es klingelte; denn einer hatte doch tatsächlich
Silberhell ein Glöckchen mitgebracht und grinste diabolisch).
Doch schön war wirklich dieses Schiff, das bis ans Bord geladen
Kam und, nachgetragen, kommt mein Dank für unvergesslich
feierliche Stunden im Advent – eh gleich die Pausenglocke läutet
und ins Koma fallen müssen alle Kerzen bis zum nächsten Montag.
Sorry, alles probiert; ich bekomme für das Foto kein kleineres Format. Allen Lesern wünsche ich einen frohen dritten Advent, Annelie.
Kommentare
SCHÖN! Deine Worte und auch die Erinnerungsreise - ein halbes Jahrhundert zurück an einen schneereichen Dezemberabend in Deiner Heimatstadt, auf die ich Dich begleiten darf, die frohe Begegnung mit einem jungen Mann, den Du mochtest, im Gegensatz dazu die Mathematik, die Dir nicht sympathisch war, „gesinust und gekosinust, Veralgebrat, verknüpft und potenziert, verwurzelt und auch logarithmitiert“ … habe auch ich nicht gerne, die Mathe war auch mein Weh und Ach …
liebe Grüße zu Dir - Marie
Liebe Marie, das war kein junger Mann, sondern meine beste Freundin Uschi. Sie war das größte Mädchen in unserer Klasse, ich war dagegen eher winzig. Wir waren damals fast unzertrennlich. Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar, über den ich mich sehr gefreut habe. Ich habe immer gedacht, Du wärest in allen Fächern sehr klug, sehr gut gewesen, warst Du gewiss auch, Du Schelmin! - In schulischen Dingen waren meine Eltern leider überhaupt nicht streng, aber auch wirklich nicht die Bohne, andernfalls hätte ich mich viel mehr angestrengt.
Liebe Grüße und einen schönen dritten Advent,
Annelie
Auch ich möchte Dir gern ein SCHÖN! schreiben. Stimmungsvoll, bildreich Deine Erinnerungszeilen; fühle mich mittendrin im Schnee und im kerzenbeleuchteten
Klassenzimmer. Foto gefällt, goldene Deko u. Kinderblick.
HG, liebe Annelie. Ingeborg
Danke, liebe Ingeborg, Dein SCHÖN hat mir sehr gut gefallen. Ich möchte Dir und auch Marie und allen Lesern hier noch sagen; Das alles geschah sehr früh an einem Montagmorgen. Im Advent haben wir jeden Montag in der ersten Stunde so gefeiert. Im Juni hat geblüht die hohe Mehlbeerhecke, trug kleine rote Früchte, daran ich mich in jenem Winter hab erinnert. Ja, liebe Ingeborg, die Winter waren damals eigentlich immer sehr kalt - aber auch schön. Ganz besonders schön war es, wenn man nach einem langen Marsch ins warme Zimmer kam.
Herzliche Grüße zu Dir,
Annelie
Gern ging der Leser mit dies Stück -
Gar fein beleuchtet war der Blick zurück ...
(Das Foto im Krause-Format wird einem Baum gerecht!)
[Einen schönen 3. Advent auch ich gern wünschen möcht.]
LG Axel
Dank, Axel, Dir, für Deinen Kommentar: gereimt,
war offen und nicht zugeleimt ...
An Krause hab ich jedoch nicht gedacht,
als ich dies Foto mit dem kleinen Has,
hier eingestellt hab, viel zu groß
und ohne gutes Maß.
LG Annelie
Ach wie herrlich eingestimmt
Ich auf den Advent nun bin
Den dritten an der Zahl
Unglaubbar, wie die Zeit vergeht
So wie du einst Mathe wohl geliebt;))
Tolle Reise - diese!
LG Yvonne
Hast mich begleitet, ach Yvonne, wenn ich 's gewusst,
hätt einen Umweg ich gemacht über den Hafen.
Darin im Winter viele Schiffe schlafen.
Die hätt ich Dir gezeigt - sehr gerne
und auch den schneebedeckten Park von ferne.
Hab Dank für Deinen Kommentar,
der - Gott sei Dank - poetisch und
kein bisschen mathematisch war.
LG Annelie
Dann zeig sie mir,
Ich komme gern mit dir! :D
Eine gute Nacht Yvonne
..."als es noch echte Winter gab"'...
Wie recht Du hast, liebe Annelie. Dein sooo schönes Gedicht entführte mich in die echten Winter der Kinderzeit, als -20 Grad, in Siebenbürgen, keine Seltenheit waren und der Schnee sich mannshoch am Straßenrand türmte. Für uns Kinder war's ein Paradies, von dem wir nicht genug bekommen konnten.
Ganz liebe Grüße,
Ella
Liebe Ella, ganz herzlichen Dank für Deinen zustimmenden Kommentar. -20 Grad habe ich allerdings noch nie erlebt, nicht einmal im hohen Norden, aber allzu kalt kann es nicht gewesen sein, anderenfalls hättet ihr es mit dem Spielen draußen nicht allzu lang ausgehalten. Aber mich freut sehr, dass ihr diese Kälte so sehr genossen habt. Und ich muss Dir sagen; Nie habe ich Winter in Erinnerung, in denen derart wenig Schnee und derart wenig Frost geherrscht haben wie in unseren Tagen. Aber geklagt haben wir eigentlich kaum. In den ersten vier Schuljahren hatte ich einen ziemlich weiten Schulweg (fast eine Stunde Hin- und Rückweg) zurückzulegen. Wie schön war es dann, wenn man in die warme Wohnung konnte. Aber manchmal war meine Mutter noch nicht von der Arbeit zurück; das war dann bitter, weil ich, aus welchen Gründen auch immer, keinen Schlüssel bekam.
Dir, liebe Ella, wünsche ich noch einen wunderschönen Feiertag ...
Liebe Grüße,
Annelie
Werteste, weise Annelie...
Drei Worte nur: Sie machen froh mich heut;
denn weise sind nur wenig Leut.
Dank, Uwe, Dir, für Deine Zeilen.
Mein Auge liebte es,
dort zu verweilen.
LG Annelie