Ol' Man River

Bild zeigt Annelie Kelch
von Annelie Kelch

Dieser verdammte Fluss – wie er dahinzieht ...
mit unserem Schweiß, unserem Blut und
all unseren Tränen … und dieser verfluchten
Gleichgültigkeit, die heftiger schmerzt
als Zahnweh.

Und wie sie sich amüsieren, sich am
Leben erfreuen, diese weißen Master
und Ladies auf dem Mississippi –!,
während wir schuften unter der
unbarmherzigen Sonne und weder
unsre geschundenen Glieder noch
die erhitzten Gemüter kühlen dürfen.

Sklave, zieh das Tau, bis du lang hinschlägst
und nicht mehr aufstehn kannst!
Zieh es vom Morgengrau bis ins letzte Abendrot! –
Pull our boat, man! Hurry up!
Und kein Wort! Wag ja nicht, aufzublicken!
Der weiße Master ist dein Gott;
du bist nur ein armseliges Bündel
voller Demut und Schmerz.

Oh, nimm mich mit, Mississippi – hab ein Herz,
blinder alter Mann. Ich will nicht sterben unter der Knute
des weißen Masters, will zum Jordan rüber;
diesen alten Fluss will ich überquern,
an dessen Ufern der wahre Gott mich
von aller Mühsal befreien und trösten wird.

Oh, nimm mich mit, Mississippi. Lang genug hab ich
gelitten unter dem Joch der grausamen weißen Meute.
Wo, zum Teufel, bleibt die Gerechtigkeit? Ich glaub
fast, die weißen Master haben sie im Schlamm versenkt.

Well, dieser Fluss weiß 'ne Menge. Mehr, als man meint.
Was der alles gesehen hat! Aber dieser Hurensohn ist aus
Stein. Sein Wasser fließt und schweigt und fließt …
fließt dermaßen gleichgültig an uns vorbei,
als geschehe hier nicht alle Tage
himmelschreiendes Unrecht.

… pflanzt weder Baumwolle noch Kartoffeln,
dieser grausame alte Mann. Und wir, die keine Ruhe
mehr finden, wir, deren Rücken wie Feuer brennen,
wir, die sie pflanzten unter der brennenden Sonne,
werden bald vergessen sein.
ER aber fließt weiter ... fließt und fließt – jeden Tag
aufs Neu … das immerwährende uralte Lied …

Du und ich, wir sind total „im Eimer“, der letzte Dreck!
Tritt man uns, dann beten wir noch laut zu Gott,
er möge den weißen Master beschützen: Hallejujah!
Wer hat uns diese Verachtung eingebrockt,
diese menschenunwürdige Scheiße* ...
Jener Teufel, zu dem wir beten?

Zieh den Kahn, Sklave! Stemm die Ballen!
Soll ich dir Beine machen, Faulpelz?
Hurry up, boy! Im Kerker ist noch ein Plätzchen frei.

Ich bin erst zweiunddreißig, Lord, schwer krank und
sehe aus wie ein Greis. Mein Dasein ist eine einzige Qual.
Der Tod macht mir Angst und ich fürchte das Leben.

Aber der gleichgültige alte Mann hört und sieht nichts;
er rauscht an uns vorbei ... fließt gemächlich weiter –
als wäre diese schreckliche Welt völlig in Ordnung.

in memoriam allen Sklaven ... Ich habe den ursprünglichen Songtext mit eigenen Worten neu als Gedicht geschrieben, nachdem ich das Lied hörte - so, wie Sammy Davis jr. es gesungen hat - so hat es noch niemand gesungen; ich kenne alle Versionen. Davis jr. singt es mit sehr viel Gefühl und Verstand. Er singt es ganz hervorragend - mit einer Stimme, die alle Nuancen kennt und das Lied in all seinem Schmerz zu interpretieren weiß. Ihr könnt es hören auf Youtube. Googelt einfach: „Ol' man river. Sammy.Davis.jr.youtube". Und hört es euch bitte bis zum Schluss an - es beginnt verhalten ...
*Pardon für „Sch...", aber „Mist" fand ich entschieden zu harmlos!!!!!!

Gedichtform: 
Thema / Schlagwort: