Die Hölle, das sind die anderen

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von Jean-Paul Sartre

»Die Hölle, das sind die anderen.«

Veröffentlicht / Quelle: 
Geschlossene Gesellschaft. Deutsch von Traugott König. 5. Auftritt. Rowohlt Taschenbuchverlag Hamburg 1991, S.59

Bedeutung, Textauslegung und Hintergrund:

Dieses berühmte Zitat aus Sartres Drama Geschlossene Gesellschaft (Huis clos, 1944) zählt zu den prägnantesten und oft missverstandenen Aussagen des Existenzialismus. Es fällt im Dialog der drei Protagonist*innen, die nach ihrem Tod in einem Raum zusammen eingeschlossen sind und auf den erhofften „Feuerschlund“ der Hölle verzichten müssen. Stattdessen erfahren sie, dass die eigentliche Hölle in der Interaktion mit den anderen besteht.

1. Die Hölle als soziale Realität

Mit „Die Hölle, das sind die anderen“ beschreibt Sartre, wie die menschliche Existenz unweigerlich in die Beziehung zu anderen Menschen eingebunden ist. In diesem Drama wird der Raum zur Metapher für die soziale Dynamik, die geprägt ist von ständiger Beobachtung, Bewertung und Konflikten. Die drei Figuren sind aufeinander angewiesen, aber unfähig, sich gegenseitig Verständnis, Frieden oder Erlösung zu schenken.

Die „Hölle“ entsteht dabei nicht durch physische Folter, sondern durch die psychologische Qual, ständig durch die Augen der anderen beurteilt zu werden – eine Form des existenziellen Drucks.

2. Das „Für-Andere-Sein“

Das Zitat lässt sich eng mit Sartres philosophischem Konzept des Für-Andere-Seins (être-pour-autrui) aus Das Sein und das Nichts (1943) verknüpfen. Sartre beschreibt dort, wie der Blick des Anderen uns in eine Rolle zwingt und unsere Freiheit einschränkt. Wir werden zum Objekt in der Wahrnehmung des Anderen, und diese Objektivierung kann als bedrohlich empfunden werden. In Geschlossene Gesellschaft zeigt sich, wie die Figuren einander durch diese Fremdwahrnehmung quälen.

3. Missverständnisse des Zitats

Oft wird das Zitat missverstanden, als wolle Sartre sagen, dass andere Menschen grundsätzlich schlecht oder unheilvoll seien. Das ist nicht der Kern seiner Aussage. Sartre zeigt vielmehr, wie Beziehungen mit anderen Menschen konfliktreich sein können, weil sie unsere Freiheit beschränken und uns zur Auseinandersetzung mit uns selbst zwingen. Die Hölle entsteht nicht durch die bloße Anwesenheit anderer, sondern durch die Abhängigkeit von deren Urteil und der eigenen Unfähigkeit, mit dieser Dynamik umzugehen.

4. Der existenzialistische Kontext

In Sartres Existenzialismus steht der Mensch im Spannungsfeld zwischen absoluter Freiheit und der Verantwortung, diese Freiheit aktiv zu gestalten. Die anderen stellen dabei eine Herausforderung dar, da sie uns dazu zwingen, unser Selbstbild und unsere Entscheidungen zu reflektieren. Die Hölle entsteht, wenn diese Reflexion zu einer unerträglichen Last wird – ein zentrales Thema des Dramas.


Fazit

„Die Hölle, das sind die anderen“ ist ein zentrales Leitmotiv von Sartres existenzialistischer Philosophie, das die Spannung zwischen Freiheit und Fremdwahrnehmung beleuchtet. Es beschreibt die oft schmerzhafte Konfrontation mit der Tatsache, dass wir in sozialen Beziehungen niemals völlig autonom sein können. Gleichzeitig fordert es dazu auf, diese Dynamik anzuerkennen und aktiv mit ihr umzugehen, anstatt sich in der Rolle eines passiven Opfers zu verlieren. Sartres Hölle ist keine metaphysische Strafe, sondern ein tief menschliches Phänomen der zwischenmenschlichen Existenz.

Bild zeigt Zitat Die Hölle, das sind die anderen.
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