Das beste bei Freud finden Sie schon bei Plato

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von Jean-Paul Sartre

»Das beste bei Freud finden Sie schon bei Plato. [...] Sie täten besser daran, Spinoza zu lesen.«

Veröffentlicht / Quelle: 
Die Kindheit eines Chefs. Deutsch von Heinrich Wallfisch. In: Gesammelte Erzählungen. Rowohlt 1970. S. 240

Bedeutung, Textauslegung und Hintergrund:

Sartre äußert sich in diesem Zitat kritisch gegenüber Sigmund Freuds Psychoanalyse und stellt sie in einen philosophischen Kontext, der auf zwei zentrale Denker der Philosophiegeschichte verweist: Platon und Spinoza. Dabei deutet er an, dass die wesentlichen Ideen Freuds bereits bei diesen beiden Philosophen angelegt seien – und impliziert, dass Freud somit weniger originell oder wegweisend ist, als viele seiner Zeitgenossen glaubten.

1. Platon und Freud – eine Verbindung?

Sartre behauptet, dass „das Beste bei Freud“ bereits bei Platon zu finden sei. Diese Aussage könnte auf Platons Konzept der Seelenlehre (Dreiteilung der Seele) abzielen, das Freuds Unterscheidung von Es, Ich und Über-Ich vorwegzunehmen scheint. Beide betonen, dass menschliches Verhalten durch innere Spannungen und Konflikte geprägt ist. Sartres Bemerkung könnte also eine gewisse Geringschätzung Freuds andeuten, da dieser lediglich philosophische Ideen psychologisch aufgearbeitet habe.

2. Spinoza als Alternative zu Freud

Mit der Aufforderung, sich besser Spinoza zuzuwenden, schlägt Sartre eine alternative Perspektive vor. Baruch de Spinoza, ein niederländischer Rationalist des 17. Jahrhunderts, vertrat eine deterministische Sicht auf die Welt. Seine Ethik basiert auf der Idee, dass alles, einschließlich des menschlichen Geistes, durch Naturgesetze bestimmt wird. Im Gegensatz zu Freuds Betonung des Unbewussten und der Triebe sieht Spinoza den Menschen als Teil eines rationalen Systems, in dem Selbsterkenntnis und Vernunft zur Freiheit führen können. Sartre könnte hier einen Punkt setzen, dass Spinozas Philosophie einen direkteren und befreienderen Zugang zum menschlichen Wesen bietet als Freuds analytischer Blick auf neurotische Konflikte.

3. Sartres Position: Philosophie vs. Psychoanalyse

Sartre selbst war kein Anhänger der Psychoanalyse. Sein Existentialismus betonte radikale Freiheit, Wahlmöglichkeiten und Verantwortung, während Freuds Modell die menschliche Existenz stärker durch Triebe und unbewusste Mechanismen eingeschränkt sieht. Indem Sartre Freud durch Platon und Spinoza relativiert, könnte er seine Ablehnung eines deterministischen Menschenbildes ausdrücken. Spinozas Rationalismus und Systemdenken scheinen für Sartre zudem philosophisch gehaltvoller zu sein als Freuds Ansatz.

Fazit:

Das Zitat illustriert Sartres Skepsis gegenüber der Psychoanalyse und seinen Versuch, sie in den größeren Zusammenhang der Philosophiegeschichte zu stellen. Die Aufforderung, Spinoza zu lesen, kann als Empfehlung verstanden werden, sich mit einer rationalistischen, philosophisch fundierten Sicht auf den Menschen zu beschäftigen, anstatt in der Psychoanalyse nach Antworten zu suchen. Sartres Verweis auf Platon zeigt zugleich, dass er Freud als nicht wesentlich originell oder revolutionär einordnet.

Dieses Zitat spiegelt Sartres eigenständige philosophische Haltung wider, die sich weder durch die klassische noch durch die psychoanalytische Tradition einschränken ließ, sondern vielmehr die Freiheit und Verantwortung des Einzelnen in den Fokus rückte.

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