Da war einmal ein alter Traum
Die Welt, sie wäre wie ein Baum
Ein Adler, der sitzt im Geäst
In seinem Aug ein Habicht fest
Die Ziege Heidrun, die dort frisst
Die Toten nährt, wie ihr wohl wisst
Der Drache unten ist gefährlich
Er nagt am Wurzelwerk begehrlich
Das Eichhörnchen möchte vermitteln
Und hat den schwier‘gen Part des Dritten
Denn nur gehässig sind die Worte
Am hohen und am tiefen Orte
Die Krone ist das Himmelreich
Sie ist dem Geist, den Göttern gleich
Da grünt‘s und blüht‘s, da trägt es Früchte
Man ist im Glanz, im vollen Lichte
Hier möchte jeder gerne leben
In stetem Glück und Freude schweben
Doch unten ist der Grund des Lebens
Der Halt, die Basis allen Strebens
Wo Wurzeln vielfach sich verzweigen
Mit Kraft durchs Erdreich wachsen, treiben
Zum Wasser und nach Nahrung streben
Da ist ein stilles, dunkles Leben
Dazwischen ist die Mittelwelt
Wo alles wichtig ist und zählt
Wo Hirsche knabbern an den Trieben
Wo Menschen wohnen, schaffen, lieben
Groß ist die Lust - und groß die Not
Und Fäulnis an dem Stamme droht
Den g a n z e n Baum, den darf man ehren
Verstehen, achten, hüten, nähren
Ein Reich alleine ist verloren
Denn alles ist so tief verschworen
Wir alle dürfen uns entwickeln
Und manchmal muss man auch vermitteln
2018 - Der alte Mythos vom Weltenbaum, der Weltenesche Yggdrasil, war unseren germanischen Vorfahren ein Sinnbild der Weltordnung. Im Bild des Baumes verstanden sie, dass die Welt eins ist und ihre Bereiche hat, die von Wesen bewohnt sind. Es ist der alte Schamanenbaum, gegliedert in die 3 Bereiche Oberwelt, Unterwelt und Mittelwelt. Bei den Germanen war es das Midgard der Menschen rings um den Stamm des Baumes, das Asgard der Asen über der Krone des Stammes und das Hel der Toten unter den Wurzeln des Weltenbaumes.
Ratatöskr ist das Eichhörnchen in der Edda, das zwischen oben und unten vermitteln will. Da aber die Wesen und Welten so unterschiedlich sind, kommt es nur zu Gehässigkeiten zwischen Adler und Drache.
Kommentare
Hörenswert und lesenswert -
Ein Narr, wer nicht die Bäume ehrt!
LG Axel
Auch sehenswert, lieber Jürgen. Der Spruch: "Das Schicksal wird solang nicht ruhn, bevor wir wissen, was wir tun", hat mich sehr beeindruckt. Das ist das Nonplusultra eines erfüllten Lebens, zu WISSEN, was man tut. Wie erlangt man dieses Wissen? Es gibt viele Möglichkeiten ... Die beste Basis sind Eltern, die bereits wissen, was sie tun. Vielen tausend Dank für dieses ausgezeichnete Gedicht und für das wunderbare Video.
Liebe Grüße zu Dir, ein frohes Weihnachtsfest und ein erfülltes neues Jahr für Dich,
Annelie
Sehr gerne gehört und gesehen, lieber Jürgen, danke ...
LG Marie
Ich danke Euch! Und schöne Festtage! Jürgen