Atlas: Himmelstränen

Bild von Calypso
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Es gibt da diesen Jungen,
er atmet den Wind aus seinen Lungen,
auf seinen Schultern ruht das All,
doch ihn selbst bringt nichts zu Fall,
weil er in seinen Augen den Himmel hält
und wenn er läuft, dann bebt die ganze Welt.
Statt eines Herzens scheint bei ihm die Sonne in der Brust,
er steht stolz und selbstbewusst
in den Weiten des Äthers - Voller Licht,
nichts als Unschuld im Gesicht.

Jahre später fängt er an zu weinen,
und wenn man jetzt nach oben schaut,
sieht man die Sonne ein wenig matter scheinen,
alles ist plötzlich viel zu laut
und man entdeckt am einen oder andern Ort
ein Stückchen vom Himmel dort:
Es glänzt wie Scherben vom zerbrochenem Glas,
liegt traurig schillernd einfach bloß im Gras,
Licht spiegelt sich darin,
wenn der Himmel sich im Form von heißen Tränen stückchenweise in die Erde bohrt
In der Reflexion sieht man den Jungen stehen; immerfort

Bis es dann Nacht wird irgendwann
und dunkel überall.
Der Junge ist nun längst ein alter Mann,
seine Jugend bloß noch ferner Widerhall.
Er trägt seine Last nur mühsam,
sein Licht erlischt ganz langsam,
sein Herz, das brennt nicht mehr.
"Kann niemand helfen? Irgendwer?"
Doch seine Worte - Nichts als stummer Schall
und er, er wankt, steht kurz vorm Fall.

Aus dem Stolz ist Scham geworden,
längst fühlt er sich nicht mehr geborgen:
Es ist einsam ganz allein dort oben
und der Himmel liegt am Boden.
Die Welt im Chaos, wie alles begann,
er selbst wird schließlich zu Stein, bevor er gänzlich fallen kann.

Auf seinen Schultern ruht jetzt immer noch das All,
doch sonst ist alles weggekommen,
sogar das Herz wurde ihm genommen,
damit es für andre leuchten kann auf jenem großen blauen Ball.

Auf dem Boden sitzt ein Kind inmitten all der Scherben,
fernab von all dem Sterben.
Es spielt mit Teilchen, die schimmern wie Glas
und puzzelt sie zusammen, ganz zum Spaß.

Bloß wenn es das Kinn ein bisschen hebt und nach oben schaut,
wird ihm das Herz ein bisschen schwer,
denn dort wo Himmel war, ist plötzlich alles leer.

Es fragt sich: "Wer hat ihn geklaut?"
Und während es auf wackeligen Beinen steht
und eine Scherbe in den Händen dreht:
"Wo ist er hingekommen?"
"Wer hat ihn genommen?"

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