Mein Stammplatz, eine Friedhofsbank,
mich stärkt, kreativiert.
Sie wirkt so wie ein Zaubertrank,
der immer funktioniert.
Am besten ist's bei Sonnenschein
und wenig Grabgepflege.
Gedanken gehen aus und ein,
der Geist wird merkbar rege.
Ich meine, dass die guten Seelen,
die lautlos mich umschweben,
mir Worte geben, die sonst fehlen.
Ich glaube fast, sie leben.
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Neulich auf der Friedhofsbank
sie mir die Ehre zeigten:
Hohe Gräser, grün und schlank,
vor mir sie sich verneigten.
Ein junger, stiller Gräserbund
- ich durfte ihn berühren -
tat so mir seine Freundschaft kund
und ließ mich diese spüren.
Die lichtgegerbte Friedhofsbank
mir schnelles Glück bescherte,
wie wenn den wahren Lebenstrank
in einem Zug man leerte.
**
Ein grauer Stein, Granit mit Glätte,
die Friedhofsbank ein Ruheplatz,
zum Gedenken dient diese Stätte.
Hier ist der Toten Ehrenplatz.
Die Bank lädt ein zum Sitzen, Denken:
"Unser Tod ist Teil des Lebens,
wie wir's drehen oder lenken.
Ist er gar das Ziel des Strebens?"
In dieser mystisch leisen Stille
fliegt es mir zu, das Fragewort:
"Die Staubesreste meiner Hülle,
wo ist ihr Platz, ihr letzter Ort?"
"Ihr Platz ist hier", die Seele wispert,
"dicht unterm Gras, nah an der Luft,
wo leiser Wind durch Bäume flüstert,
nicht in der dunklen Grabesgruft."
© Willi Grigor, 2015
Aus dem Leben
Hier ein viertes Friedhofsbank-Gedicht (tatsächlich das erste)
literatpro.de/gedicht/060316/ein-kleiner-engel
Es hat eine besondere Geschichte:
Als ich im Frühjahr 2015 einen ersten Spaziergang auf unserem neuen und ziemlich leeren Friedhof machte, sah ich ein Grab mit vielen kleinen Bärchen und Puppen. Das kleine Mädchen (es hieß Meja) wurde nur knapp zwei Monate alt. Auf dem Grabstein stand: "Vi fick låna en ängel." ("Man hatte uns einen Engel geliehen.") Ich war sehr bewegt. Als ich weiterging entdeckte ich die Bank neben dem Gedenkstein. Ich setzte mich und dachte an den "kleinen Engel". Ein kleines Gedicht (auf schwedisch) drängte sich geradezu auf. Einige Tage später legte ich es (anonym) zu den anderen Dingen vor Mejas Grabstein.
Kurz darauf schrieb ich die deutsche Version.