Ein Vater hatte einst zwei Söhne
der eine war gesund und stark
Der andere bekam zumeist nur Häme,
als Krüppel war sein Leben karg
Der Vater starb mit beiden Erben
Dem ersten gab er Burg und Hof
Dem krummen Lutz blieb das Verderben
Er schlief im Stall, er war ja doof
Sein Anteil ward ihm vorenthalten
So ging er in den tiefen Wald
Er konnte nicht länger an sich halten
und weinte hemmungslos. Sobald
er konnte wieder sich erheben
sah er ein Mütterchen, das spann
Sie fragte ihn nach dem Ergehen
und bot ihm ihre Hilfe an
Drei Jahre pflegte er den Garten
bestellte dieser Frau das Haus
Noch mal konnt‘ er vor neuem starten,
gesundete, wurd‘ gradeaus
Dann machten sie sich auf die Reise
Sie wanderten zum hohen Herrn
Die Alte bat den Erben leise,
auch Lutz den Anteil zu gewähr'n
Der Burgherr warf sie aus dem Zimmer
beschimpfte sie als Lumpenpack
Die Frau nahm ihren Stock: ‚für immer
geschehe Dir, wie Du es sagst!‘
Sie stieß den Spinnstock in die Linde
die Vögel flohen furchterregt
Die Burg, der Herr und sein Gesinde
sie wurden bald hinweggefegt
Ihr Glück zerbrach in viele Scherben
Die Burg verfiel, der Bruder starb
Sein Gold, das konnten sie noch bergen,
das nahm er nicht mit in sein Grab
Der Lutz bekam das halbe Erbe
und zog damit in fernes Land
Erwarb ein Gut und etwas Erde,
fand eine Frau, die zu ihm stand
Noch einmal wollte er SIE sehen
die Frau, bei der er sich gemüht
Er fand sie nicht – nur leises Wehen,
was tröstete Geist und Gemüt
2107 - Nach einer Sage, überliefert durch K. Paetow. Die alte Frau mit den Spinnstock geht zurück auf die nordische Mythologie, wo drei Frauen das Schicksal webten und Göttinnen wie Frigga, Holle, Perchta mit dem Spinnstock als Attribut diese Hoheit später übernahmen.