Schwarz, ausgemergelt das Gesicht, die Hände
auf weißem Tuch und an des Sarges Wände
gemalt der Todesengel flugbereit,
so übergab man sie der Ewigkeit
und hub sie aus der Finsternis ans Licht
viertausend Jahre später. Ihrer Sicht
erscheint die Welt verändert, unbekannt,
mit Welten anstatt Sternen überspannt.
Auf Erden aber stets die alten Lügen,
womit die Menschen sich um Macht betrügen,
der Pyramiden kantig dunkle Gruft
ersetzt mit Kuppeln voller Licht und Luft,
statt der versteiften menschlichen Gestalt
in Stein gemeißelt, an die Wand gemalt
Schwung, Muskeln und Bewegung, farbenreich,
der Hölle Schrecklichkeit, das Himmelreich.
Und diese Welt von Sinnlichkeit und Klängen,
wo Engel und Dämonen sich bedrängen,
gesteigert, bis die Kunst sich selbst mißfällt
und wie ein Hirngespinst in nichts zerfällt.
Das alles dringt in ihre Augenhöhlen
erhellt vom Glühwurm körperloser Seelen,
ein Lichtstrahl durch den Raum, die leere Zeit,
der Augenblick als Schein der Wirklichkeit.
In die man sie gehüllt, die weißen Binden,
diejenigen, die sie befreit umwinden,
die Gegenwart, worin sie jetzt besteht,
wie Sand in Wüstendünen untergeht,
die klangerfüllte Welt wird stumm und taub,
wo Geist und Leben blühten, wirbelt Staub.
Eine ägyptische Mumie im Vatikan
von Erich Vio
Veröffentlicht / Quelle:
Silhouette Literatur - International/Nummer 16-1982
Gedichtform:
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