Vom Beschneiden der Flügel

Bild von Jörg Krüger
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Vom Beschneiden der Flügel

Wir beschneiden dir die Flügel, Pegasus,
so wie wir es gelernt haben,
so wie wir beschneiden die Flügel
bei unseren Hühnern, denn
freilaufend sind sie, das ist jetzt
die Mode, wir beschneiden die Flügel,
so wie wir es gelernt haben:
Den einen beschneiden wir etwas,
den anderen noch kürzer, das
nennt man asymetrisch, das ist
modern, so fliegen sie im Kreis,
Pegasus, so wie wir es gelernt haben.

Das Beschneiden der Flügel, Pegasus,
so wie wir es gelernt, Pegasus, dann
laufen sie frei, die Hühner, und fliegen
im Kreise, asymetrisch, das Beschneiden
der Flügel, so wie wir es gelernt,
das haben wir verinnerlicht, das ist
uns zweite Natur, so laufen wir frei, denn
wir wollen, dass du anders bist,
denn jeder Mensch ist anders, das haben
wir gelernt, denn so laufen wir frei, gelernt
ist gelernt, jeder Mensch ist anders,
sagen wir, gelernt ist gelernt, jeder
hat ein Recht auf anders.

Wir beschneiden die Flügel, Pegasus,
denn so laufen wir frei, und fliegen im Kreise,
asymetrisch, so nennt man das,
das ist jetzt die Mode, denn
so anders anders, das ist nicht anders,
Pegasus, wir beschneiden
die Flügel,das haben wir gelernt,
das fliegt nur im Kreise,der eine kurz,
der andere noch kürzer,
Pegasus, denn wer die Lehrbücher liest,
der ist ein Wissender, das haben wir gelernt,
so anders, wir nennen es asymetrisch,
denn dann laufen wir frei, und sei einmal
ehrlich mit dir: Wo schon gibt es ein Pferd
mit Flügeln in der Natur. Nichts davon steht
in unseren Lehrbüchern, so anders anders.
Gelernt ist gelernt.

 

 

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Kommentare

25. Jan 2015

Schönes Gedicht, aber schade, wenn die Lehrbücher Fantasie und Illusion zerstören!