I
Wie lange das Mottengeflatter, mein Herz?
Du bist nicht zufrieden mit deinem Teil?
Weshalb über fremde Flamme dein Schweben?
Geh, brenn aus dir selber; Kunst ist dein Heil.
II
Welche süße Lust das Sein, o GOTT, das Leben -
Jedes Herz pulsiert in helllem Wechselgesang.
Die Rosenknospe durchbricht den hölzernen Stamm,
glüht in lebendigem Lächeln, in ekstatischem Drang.
III
Wie süß das Vogellied, aus Luft geboren
am Tagesanfang, inmitten des Blätterhags;
Tu, wie dir von innen das Herz befiehlt:
Juble, seufze, traure, beklags!
IV
Tausend Jahre Natur stecken in mir,
ich wurde ihr Teil und gab mein Selbst auf.
In mir strömt Weltgeschichte zusammen:
Gestaltwerden, Anbetung und Stürzen im Lauf.
V
Bewußt ihrer Vernichtung spricht die Motte:
Gib eine Weile mir Glut und Fieber des Lebens -
zwar ist am Morgen meine Asche verweht,
gewähr eine Nacht mir, sie ist nicht vergebens.
VI
Willst du vollkommenes Leben erreichen,
lern selber mit offenen Augen zu sehn,
die Welt mit einem Zuge zu schlürfen,
die Zeilen zu halten, eh sie vergehn.
VII
Das Lied der Sehnsucht durchdringt völlig die Welt,
es singt auf des Universums weitesten Saiten,
was war, was ist und immer sein wird.
Ich seh einen Moment lang das Walten der Zeiten.
Aus: The Tulip of Sinai, Übersetzung von Tilly Boesche-Zacharow